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15.07.2002; 18:33 Uhr
Unterschiedliche Reaktionen auf Pressespiegel-Entscheidung des BGH
Verleger: Erwägen Verfassungsbeschwerde - Journalisten: Urteil wegweisend

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur urheberrechtlichen Behandlung von elektronischen Pressespiegeln vom 11.7.2002 ist von den Betroffenen erwartungsgemäß unterschiedlich aufgenommen worden. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) erklärte am 12.7.2002, man nehme die Entscheidung "mit Bedauern" zur Kenntnis. Die Verleger kritisierten, das Urteil werde den Gefahren der digitalen Übermittlung und Speicherung von Presseartikeln nicht gerecht. Der BGH habe diese Risiken unterschätzt und unterstütze so ungewollt eine weitverbreitete "Umsonst-Mentalität" in den elektronischen Medien. Der VDZ kündigte an, "auf lange Sicht" müssten die betroffenen Verleger deshalb die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde prüfen. Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Rolf Lautenbach, begrüßte die Entscheidung des BGH am selben Tag dagegen als "wegweisend". Die Karlsruher Richter hätten die Auffassung des DJV bestätigt, dass die Verleger den Journalisten die Pressespiegelvergütung in der Vergangenheit zu Unrecht vorenthalten hätten. Das Urteil sei ein weiterer wichtiger Schritt zur wirtschaftlichen Anerkennung der Leistungen der Urheber, meinte Lautenbach. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßte die Entscheidung. Der Versuch der Verlage, sich auf Kosten der Urheber zu bereichern, sei gescheitert, meinte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Gerd Nies.

Der BGH hat am 11.7.2002 entschieden, dass auch elektronische Pressespiegel grundsätzlich ohne Zustimmung der Rechteinhaber der übernommenen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel vervielfältigt und verbreitet werden dürfen (Az. I ZR 255/00). Ein abweichendes Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG) und des Landgerichts Hamburg (LG) hoben die Richter auf. Der Mitglieder des ersten Senat des BGH stellten sich auf den Standpunkt, elektronische Pressespiegel unterschieden sich nicht grundsätzlich von solchen, die auf herkömmlichem Weg in Papierform vertrieben würden. Auch bei der Erstellung herkömmlicher Pressespiegel kämen mittlerweile häufig Scanner zum Einsatz, durch die die verwendeten Textausschnitte elektronisch eingelesen und verarbeitet würden. Die Gefahr eines Missbrauchs der Ausnahmeregelung, beispielsweise durch den Aufbau eines elektronischen Pressearchivs durch Nutzer des Pressedienstes, bestehe unabhängig davon, in welcher Form der Pressespiegel vertrieben werde. Das sogenannte "Pressespiegelprivileg" des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) sei aber nur anwendbar, wenn die verwendeten Texte als Grafik verbreitet werden, weil nur dann ein Missbrauch wie beispielsweise der Aufbau einer Datenbank durch den Empfänger verhindert werden kann. Außerdem dürfen die Pressespiegel nur an einen "überschaubaren Personenkreis" vertrieben werden, wie das beispielsweise bei betriebs- oder behördeninternen Presseübersichten der Fall ist. Da im Fall nicht klar war, ob der strittige Pressespiegel sich in diesen Grenzen hielt, verwies der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Klärung an die Vorinstanz zurück.

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