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23.11.2007; 10:21 Uhr
EGMR bestätigt Bedeutung des Quellenschutzes für Pressefreiheit
Gericht sieht in Beugehaft eines Journalisten ungerechtfertigten Eingriff in Art. 10 EMRK

Die Beugehaft eines niederländischen Journalisten, um die Identität einer seiner Quellen zu erfahren, verstößt gegen die durch Art. 10 der EMRK geschützte Pressefreiheit. Dies entschied er Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) durch Urteil vom 22.11.2007 (Aktenzeichen 64752/01).

Der Kläger, ein niederländischer Journalist, hatte über polizeiliche Ermittlungen wegen Waffenhandels berichtet, dass die Polizei nicht zufällig die Waffen in einer Wohnung in Amsterdam gefunden hatte, die sie eigentlich nur wegen eines Wasserschadens betreten hatten, sondern letzteren aus Ermittlungsgründen inszeniert hatte. Dabei berief er sich auf einen anonymen Polizisten der Amsterdamer Behörde als Quelle. Im Rahmen des folgenden Strafprozesses gegen drei des Waffenhandels Beschuldigte ordnete das Gericht die - letztlich zwei Wochen dauernde - Beugehaft gegen den als Zeigen geladenen Kläger des hiesigen Verfahrens an, weil es aus Gründen der Integrität der Polizei und um den Angeklagten einen fairen Prozess zu gewähren die Identität des Informanten des Klägers erfahren wollte. Nach einer Umbesetzung des entscheidenden Gerichtkörpers gelangte dieser ohne eine entsprechende Aussage des Klägers zu Verurteilungen gegen die drei Angeklagten.

Der EGMR stellte nun fest, dass die vom niederländischen Gericht angeführten Gründe zur Anordnung der Beugehaft nicht durch das Ziel der Verbrechensprävention gedeckt ist. Denn der Quellenschutz sei eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Pressefreiheit. Ohne diesen würden potentielle Informanten davon abgeschreckt, die Presse über Sachverhalte von öffentlichem Interesse zu informieren, was letztlich zu Lasten der Wächterfunktion der Presse ginge. Denn in einem demokratischen Rechtsstaat müsste die Öffentlichkeit gerade über unzulässige Methoden von öffentlichen Behörden aufgeklärt werden. Auch seien sie, so die Richter, betroffen über die Haftdauer, die den abschreckenden Charakter nur noch vertieften. Auch die Gewähr eines fairen Prozesse hing nicht von der Aussage des Klägers ab, da die Information des Klägers durch Aussagen anderer Zeugen ersetzt worden sei. Darüber hinaus stellten die Richter eine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 EMRK aufgrund der fehlenden Zustellung des Beschlusses zur Anordnung der Beugehaft fest.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßte die Entscheidung des EGMR als eine Stärkung der Position der Journalisten wie auch der Informanten. »Einmal mehr haben Richter die grundlegende Bedeutung der Pressefreiheit betont«, so der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken am 22.11.2007. Er erhoffe sich von dem Urteil eine Signalwirkung, dass vor allem Sicherheitspolitiker im In- und Ausland aufgrund der aktuellen Rechtsprechung den Informantenschutz endlich respektierten.

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