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25.04.2002; 15:10 Uhr
Kartellamt bei Kabelnetzverkauf zu "mehr Augenmaß" aufgefordert
Experten kritisieren Verhalten gegenüber Liberty als "Bärendienst für Verbraucher und Wettbewerb"

Experten haben das Bundeskartellamt im Zusammenhang mit dem angestrebten Verkauf der Kabelnetze der Deutschen Telekom (Telekom) zu "mehr Augenmaß" aufgefordert. Die Behörde hätte durch die Verhinderung des Einstiegs von Liberty Media in den deutschen Kabelmarkt Verbrauchern und Wettbewerb "einen Bärendienst" erwiesen, kritisierte Hans-Willi Hefekäuser von der Telekom auf einer Anhörung des Medienausschusses des Bundestages am 24.4.2002 in Berlin. Die Wettbewerbshüter hätten durch ihre Entscheidung den Ausbau der Kabelnetze für Multimediadienste verzögert. Hefekäuser kündigte an, die Telekom halte trotzdem an ihrer Absicht fest, sich vollständig von ihren Kabelnetzen zu trennen.

Auch Hans Hege von der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang (GSDZ) der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) erklärte auf der Anhörung, die Bundespolitik müsse begreifen, dass die Zukunft der breitbandigen digitalen Übertragung gehöre. Deutschland sei zur Zeit international das Schlusslicht bei der Entwicklung der Kabelnetze. In Großbritannien gebe es bereits vier mal so viele Haushalte mit digitalem Kabelanschluss wie in Deutschland. Noch schlechter sehe bei der Internetnutzung über den Kabelanschluss aus. In Deutschland sei er in zwei von tausend Kabelhaushalten möglich. In den USA seien es bereits 67 und selbst in Österreich 32. Hege meinte, eine Entwicklung der Kabelnetze sei nur bei einer Trennung von der Telekom möglich.

Ähnlich äußerte sich in Berlin auch Werner Scheuer vom Verband Privater Kabelnetzbetreiber (ANGA). Scheuer forderte eine tief greifende Umgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für seine Branche. Zur Zeit würden die Netzbetreiber durch kartell-, medien- telekommunikations- und urheberrechtliche Vorgaben an einem Ausbau der Netze und an der Entwicklung neuer Mehrwertdienste behindert. Die Unternehmen müssten sich nicht nur den Kartellämtern von Bund und Ländern herumschlagen, sondern auch mit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post und fünfzehn Landesmedienanstalten. Durch diese hohe Regelungs- und Kontrolldichte könne das Potenzial des Breitbandkabels zwangsläufig nicht ausgeschöpft werden, meinte Scheuer.

Liberty Media hatte sich Anfang September 2001 mit der Telekom über die Übernahme von sechs regionalen Kabelnetzen geeinigt. Das US-Unternehmen hätte mit dem Kauf Zugriff auf mehr als zehn Millionen angeschlossene Haushalte und damit rund 60 Prozent aller Kabelkunden in Deutschland bekommen. Als Kaufpreis waren rund 5,6 Milliarden Euro vereinbart. Ende Februar 2002 wurde das Geschäft allerdings vom Bundeskartellamt untersagt. Die Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass Liberty Media nicht nur die marktbeherrschende Stellung der Telekom im Endkunden-, Einspeise- und Signallieferungsgeschäft übernehmen würde. Man müsse vielmehr davon ausgehen, dass das US-Unternehmen seine Marktmacht in diesen Bereichen sogar noch ausbauen und den Wettbewerb dadurch erheblich beeinträchtigen würde.

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[IUM/jz]

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