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09.05.2011; 18:06 Uhr
Kunst- und Meinungsfreiheit: Künstlerin setzt sich gegen Louis Vuitton durch
Tasche darf als Symbol der Wohlstandsgesellschaft in politischem Gemälde »Darfurnica« abgebildet werden

Das Bezirksgericht Den Haag hat jüngst über die Rechtmäßigkeit der ungenehmigten Abbildung einer »Louis Vuitton«-Tasche in einem Kunstwerk entschieden (Urteil vom 4. Mai 2011, 389526 / KG ZA 11-294). Danach muss das Luxusgüterunternehmen hinnehmen, dass die als »Multicolore Canvas«-Design unter der EG-Geschmacksmusterverordnung geschützte Tragetasche in dem politischen Gemälde »Darfurnica« der dänischen Künstlerin Nadia Plesner abgebildet ist. Das Gemälde ist eine Adaption von Picassos »Guernica«. Die Künstlerin möchte mit dem Kunstwerk darauf hinweisen, dass die mediale Aufmerksamkeit zu stark auf westlichen Luxus und Celebrities und zu wenig auf Hunger und Armut in Krisengebieten wie der sudanesischen Provinz Darfur gerichtet ist. Sie hatte bereits zuvor einen abgemagerten sudanesischen Jungen mit Paris Hilton-Chihuahua auf dem Arm und einer der »Louis Vuitton«-Tasche stark ähnelnden Tasche um das Handgelenk gemalt. Dieses Werk mit dem Titel »Simply Living« verkaufte sie auf Postern sowie als T-Shirt-Aufdruck. Die Erlöse gingen an eine Organisation, die sich für die Opfer des Darfur-Konfliktes einsetzt. »Simply Living« stellt ein Element in »Darfurnica« dar. Es wurde bei dessen Ausstellung als »Eye-Catcher« verwendet und ebenfalls auf Postern und T-Shirts verkauft.

Louis Vuitton berief sich vor Gericht auf sein Eigentumsrecht nach Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK. Das Gericht gab in seiner Abwägung der Kunst- und Meinungsfreiheit der Künstlerin aus Art. 10 EMRK als fundamentalem Recht demokratischer Gesellschaften den Vorrang (das Gericht beruft sich hier auf die »Appleby«-Entscheidung des EGMR). Solange nicht der Ruf des Luxusgüterunternehmens bewusst zu kommerziellen Zwecken ausgenutzt und das Unternehmen nicht in einem falschen Kontext gesetzt wird, sei eine solche Darstellung zulässig. Gerade weltweit bekannte Unternehmen müssten mit einer kritischen Verwendung ihrer Produkte rechnen. Dabei sei dem Betrachter von »Darfurnica« klar, dass Louis Vuitton in keinem unmittelbarem Zusammenhang mit Darfur steht. Die Luxusmarke sei lediglich ein Symbol westlichen Reichtums und Überflusses. Auch eine Benutzung als »Eye-Catcher« steht der Kunst- und Meinungsfreiheit nicht entgegen. Damit hob das Gericht die vorherige einstweilige Verfügung (Entscheidung vom 27. Januar 2011, KG RK 10-214), die im Sinne von Louis Vuitton ergangen war, auf.

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