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02.05.2002; 16:37 Uhr
OLG Düsseldorf erklärt Bauhaus-Hocker zum Kunstwerk
»Kein profaner Alltagsgegenstand«

Der bekannte Stahlrohrhocker des Bauhaus-Architekten Marcel Breuer genießt als Werk der angewandten Kunst Urheberrechtsschutz. Das entschied am 30.4.2002 das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG). Bei dem Sitzmöbel handele es sich nicht nur um einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand, sondern um eine eigenständige geistige Schöpfung, meinten die Richter. Die Nutzungsrechte sprach das Gericht einem Möbelhersteller aus Niedersachen zu, der sie vertraglich von der Witwe des 1981 verstorbenen Breuer erworben hatte. Die Bauhaus-Stiftung als Nachfolgerin des Dessauer Bauhauses habe dagegen keine Rechte erlangt, meinte das OLG. Das Entwerfen von Stahlrohrmöbeln habe nicht zu Breuers Aufgabenkreis beim Bauhaus gehört (Az. 20 U 81/01). Gegen das Urteil, das eine anderslautende Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (LG) aufhob, ist noch Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) möglich.

Im Fall hatte ein Möbelhersteller aus dem niedersächsischen Lauenförde einen Konkurrenten aus Sachsen-Anhalt verklagt. Beide Unternehmen stellten Nachbauten eines Stahlrohrhockers her, den Breuer in den 20er Jahren während seiner Zeit am Dessauer Bauhaus entworfen hatte. Die Niedersachsen beriefen sich darauf, nur sie dürften das Möbel nachbauen. Sie hätten dafür unter Vermittlung des Bauhaus-Archives New York von Breuers Witwe eine entsprechende Lizenz erworben. Bei dem Hocker handele es sich um einen Kunstgegenstand, er sei der erste Stahlrohrhocker überhaupt gewesen. Das ostdeutsche Konkurrenzunternehmen hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Bei dem Stahlrohrhocker handele es sich um ein schlichtes Industrieprodukt, an dem kein Urheberrechtsschutz bestehe. Falls das Möbel doch schutzfähig sei, habe daran allenfalls die Stadt Dessau als ehemalige Trägerin des Bauhauses Rechte erworben. Schließlich sei Breuer dort Angestellter gewesen.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) können auch Werke der angewandten Kunst Urheberrechtsschutz genießen. Werke der angewandten Kunst sind dabei alle Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung. Grundsätzlich können damit auch Möbel urheberrechtlich geschützt sein. Voraussetzung ist wie bei anderen Werkarten auch, dass es sich bei den Möbeln um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Bei der Beurteilung der erforderlichen »Schöpfungshöhe« muss vor allem zu bloße Geschmacksmustern abgegrenzt werden, die nach dem Geschmacksmustergesetz ebenfalls einen, allerdings schwächeren, rechtlichen Schutz genießen. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit bereits mehrmals Stahlrohrmöbeln Urheberrechtsschutz zugesprochen, beispielsweise den bekannten Sesseln des Architekten Le Corbusier. Sie hat dabei ausdrücklich anerkannt, dass auch in einer klaren Linienführung ohne schmückendes Beiwerk die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche künstlerische Eigentümlichkeit zum Ausdruck kommen kann.

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