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06.02.2012; 13:42 Uhr
Australisches Gericht entscheidet: App für nahezu zeitgleiche Wiedergabe von TV-Sendungen verstößt nicht gegen Urheberrecht
»Vorgang mit Aufnahme und Wiedergabe mittels VHS-Kassette vergleichbar«

Eine Entscheidung des Federal Court in Sydney sorgt derzeit in Australien für Aufsehen. Medienberichten zufolge hat das Gericht vergangene Woche zugunsten des Telekommunikationsunternehmens SingTel Optus Pty Ltd. entschieden, dass die von dem Untenehmen entwickelte App »TV Now«, welche ihren Nutzern gegen Entgelt erlaubt, Free-TV Sendungen von 15 Fernsehkanälen aufzunehmen und auf ihren mobilen Endgeräten wiederzugeben, die Rechteinhaber der Sendungen nicht in ihren Urheberrechten verletzt. Der von Optus angebotene Dienst ermöglicht den Nutzern 30 Tage lang eine unbegrenzt häufige Wiedergabe der aufgenommenen und in der Optus-Cloud gespeicherten Inhalte. Die App umfasst auch die Funktionen Pause, Vor- und Zurückspulen sowie Löschen der Aufnahme. Mit »Apple iOS«-Geräten besteht die Möglichkeit, die gewünschte Sendung aufzunehmen und mit einer zeitlichen Verzögerung von nur zwei Minuten, also fast zeitgleich zur Original-Sendung, anzusehen. Hiergegen wehrten sich erfolglos die Australian Football League (AFL) und die National Rugby League Partnership (NRL), welche die Rechte an den Free-TV Übertragungen der jeweiligen Spiele halten, sowie das Telekommunikationsunternehmen Telstra Corporation, welches sich für über 150 Million AUS-Dollar die exklusiven Online- und Mobilrechte an den Übertragungen der AFL- und NRL-Spiele gesichert hatte.  Sie sind der Auffassung, mit der bei »Apple iOS«-Geräten bestehenden »near live functionality« nehme Optus eine Position ähnlich eines Sendeunternehmens ein. 

Das Gericht war der Auffassung, nicht Optus, sondern deren Nutzer würden die Aufnahme tätigen, indem sie auf »record« klicken. Dieser Vorgang sei nichts anderes, als eine VHS-Kassette in den Videorekorder zu schieben und die Aufnahme zu starten. Vor diesem Hintergrund kam das Gericht zu dem Schluss, dass den Nutzern die in Art. 111 Copyright Act 1968 geregelte »time-shift defence« zugutekomme, welche es erlaubt, TV-Sendungen zu privaten Zwecken aufzunehmen, um sie später »at a time more convenient« anzusehen. Diese Regelung gelte auch für die aus technischen Gründen bei »Apple iOS«-Geräten bestehende »near live functionality«. Es unterliege allein der Entscheidung des Nutzers, ob und wann der gewünschte Inhalt an das gewählte Endgerät gestreamt werde. Dies falle nicht in den Verantwortungsbereich von Optus. Eine öffentliche Zugänglichmachung durch Optus lehnte das Gericht ab, da allein der Nutzer die jeweilige Übertragung auf sein Endgerät und zu einem ihm günstigen Zeitpunkt veranlasse.

AFL und NRL sehen ihre Praxis der exklusiven Rechtevergabe mit dieser Entscheidung ernsthaft gefährdet. »The decision jeopardises the value of all exclusive broadcast rights deals«, heißt es in Medienberichten. Ein Telstra-Sprecher erklärte gegenüber »The Australien«: »The judgement seriously undermindes the value of online content. This ruling is out of step with the reality of the market.« Insgesamt lege das Urteil einen zu starken Fokus auf die Nutzerinteressen und lasse die technische und rechtliche Argumentation weitgehend unberücksichtigt. Laut Onlineberichten haben AFL und NRL bereits die Berufung gegen das Urteil angekündigt.

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