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14.06.2002; 14:22 Uhr
Multimediawirtschaft droht mit Rückzug aus Selbstkontrolle
Falls es bei der geplanten Zulassungspflicht bleibt - Allenfalls "Akkreditierung" vorstellbar

Die Multimediawirtschaft hat einen Ausstieg aus der freiwilligen Selbstkontrolle für den Fall angedroht, dass es bei der von der Bundesregierung geplanten Zulassungspflicht für Selbstkontrolleinrichtungen bleibt. Der Vorsitzende der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM), Arthur Waldenberger, erklärte am 14.6.2002 gegenüber dem Branchendienst heise online, falls an der beabsichtigten "regulierten Selbstregulierung" festgehalten werde, würde sich die Einrichtung aus dem freiwilligen Jugendmedienschutz zurückziehen. "Die FSM würde sich in diesem Fall allein auf Beratungstätigkeiten für Mitglieder und die Mitarbeit in nationalen und internationalen Organisationen beschränken", kündigte Waldenberger an. "Unsere Mitglieder sehen keinen Sinn in einer Selbstkontrolle, die staatlich reguliert wird." Regulierte Selbstregulierung sei "ein Widerspruch in sich". Es werde daher keinen Antrag auf Erteilung einer Lizenz geben, meinte der Verbandssprecher. Vorbehalte hat die FSM vor allem gegen die Ermessens- und Eingriffsspielräume, die nach jetzigem Stand bei der Anerkennung von Selbstkontrolleinrichtungen geplant sind, und gegen die Befristung der Anerkennung. Für die FSM ist allenfalls vorstellbar, sich zur Schaffung größerer Transparenz bei einer staatlichen Stelle zu akkreditieren und dabei die eigene Arbeitsweise offenzulegen.

Über die Rolle der freiwilligen Selbstkontrolle ist im Zusammenhang mit der Neuregelung des Jugendschutzrechts in den letzen Wochen ein heftiger Streit zwischen Medienwächtern und Privatsendern entbrannt. Die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM) hatte Mitte Mai 2002 erklärt, mit der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Stärkung der freiwilligen Selbstkontrolle der Fernsehsender werde ein "erhebliches Risiko für den Jugendschutz" eingegangen. Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle seien erfahrungsgemäß sehr viel großzügiger als die Landesmedienanstalten. Das habe sich bei etwa einem Drittel der Fälle gezeigt, in denen die Sender Ausnahmegenehmigungen für die Ausstrahlung indizierter Filme beantragt hätten. So habe die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) auch bei äußerst gewaltgeprägten Filmen trotz schwerer Jugendgefährdung eine Ausstrahlung befürwortet. Die BLM warnte, die Landesmedienanstalten hätten bei Umsetzung der Pläne der Bundesregierung kaum noch Möglichkeiten, die Ausstrahlung problematischer Filme zu verhindern. Sie könnten nur im Nachhinein einen Verstoß feststellen. Aber auch das bliebe ohne Folge, wenn die freiwillige Selbstkontrolle einer Ausstrahlung zugestimmt habe. Die Medienwächter verlangten, sie müssten in jedem Einzelfall ein umfassendes Prüfungs-, Beanstandungs- und Sanktionsrecht behalten. Die Privatsender wiesen die Vorwürfe umgehend zurück und erklärten, die von Bund und Ländern geplante Stärkung der freiwilligen Selbstkontrolle sei richtig. Die Sender seien bereit, erheblich mehr Mittel als bisher für die entsprechenden Einrichtungen und die Jugendschutzbeauftragten in den einzelnen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Wenn die freiwillige Selbstkontrolle nicht mehr nur als "Vorspiel" für die Entscheidungen der Landesmedienanstalten herhalten müssten, sei das der beste Garant dafür, dass die Sender den Jugendschutz erst nähmen.

Der Bundestag hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Jugendschutzrechts am 16.5.2002 in erster Lesung verabschiedet. Nach den Vorstellungen von Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) sollen das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) und das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS) zu einem Jugendschutzgesetz (JSchG) zusammengelegt werden. Dessen Regelungen sollen einheitlich sowohl für Tele- als auch für Mediendienste gelten. Ausgenommen sein soll allerdings der Jugendschutz im Rundfunk. Er soll weiter in der Zuständigkeit der Länder verbleiben und durch einen neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag geregelt werden. Nach dem geplanten JSchG sollen in Zukunft nicht nur Videofilme, sondern auch Computerspiele und Bildschirmspielgeräte mit einer Alterskennzeichnung versehen werden. Änderungen sieht der Gesetzentwurf auch bei der Indizierung jugendgefährdender Medien vor. Zuständig bleibt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS), die allerdings in Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) umbenannt wird. Die BPM kann in Zukunft auch von Amts wegen tätig werden, muss sich aber mit einer von den Bundesländern neu zu gründenden Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) abstimmen. Die Selbstkontrolle der Medien will der Gesetzentwurf stärken. Der Jugendschutz soll so weit wie möglich Selbstkontrolleinrichtungen übertragen werden. Für deren Tätigkeit soll aber eine staatliche Zulassung erforderlich sein.

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