mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
06.04.2011; 12:03 Uhr
Schweiz: »Public Viewing« unterliegt kollektiver Rechtewahrnehmung
Neue Nutzungsform - zugleich Zweitnutzung der Werkvorträge, Ton- und Bildaufnahmen

Das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass die Urheberrechte im Rahmen von »Public Viewing« von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden müssen (Urteil vom 21. Februar 2011, Az. B-2346/2009, Veröffentlichung in ZUM oder ZUM-RD folgt). Streitig war, ob Inhalte beim »Public Viewing« vorgeführt, oder öffentlich wahrnehmbar gemacht werden. Nur im letzten Fall besteht eine kollektive Wahrnehmungspflicht. Die Beschwerdeführerinnen, die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR idée suisse) und die UEFA, machten geltend, dass es sich um eine Erstnutzung ihrer urheberrechtlich geschützten Sendungen im Sinne des Vorführungsrechtes handelt. Dagegen argumentierten die Beschwerdegegnerinnen, u.a. die SUISA Urheberrechtsverwertungsgesellschaft, »Public Viewing« sei eine wahrnehmungspflichtige Zweitverwertung.

Das Schweizerische BVerwG sieht in »Public Viewing« eine neue Nutzungsform. Denn das öffentliche Zeigen von Sendungen richte sich an ein zusätzliches Publikum, welches vom Studiopublikum und von den Fersehzuschauern/-abonnenten getrennt werden müsse. Zugleich stelle »Public Viewing« eine wahrnehmungspflichtige Zweitnutzung der Werkvorträge sowie Ton- und Bildaufnahmen, aus denen die Sendungen bestehen, dar. Die Wahrnehmbarmachung gesendeter Inhalte erfolge »unabhängig von ihrer Bedeutung für den entsprechenden Anlass und unabhängig von der Publikums- und Bildschirmgröße«. Eine unmittelbare Wahrnehmbarmachung, wie sie eine Vor- oder Aufführung erfordert, liege nicht vor. Denn »Public Viewing« findet nicht am Ort der Aufzeichnung der Sendung statt. Nach diesem Urteil ist Art. 10 Abs. 2 lit. f) URG einschlägig (Wahrnehmbarmachung gesendeter Werke) und nicht Art. 10 Abs. 2 lit. c) URG (Vor- und Aufführungsrecht). Die kollektive Wahrnehmung ergibt sich in diesem Fall aus Art. 22 Abs. 1 URG (Verbreitung gesendeter Werke).

In ihrer Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Wahrnehmung verweisen die Bundesverwaltungsrichter unter anderem auf die Abgrenzung, die in Deutschland zwischen § 19 UrhG und §§ 20 ff. UrhG vorgenommen wird. Wie das Gericht ausführt, können Auf- und Vorführungsrecht und Recht der öffentlichen Wahrnehmbarmachung anhand der genannten Kriterien grundsätzlich getrennt werden. Nicht entscheidend sei dagegen, ob sich Zuschauer zum Zweck des Werkgenusses versammeln (dann Auf-/Vorführung) oder der Werkgenuss nur einen Nebenzweck darstellt (dann Wahrnehmbarmachung).

Weiteres Dokument zum Thema:

  • Diesbach, Martin/Bormann, Sandra Sophia/Vollrath, Benjamin: »Public Viewing« als Problem des Urheber- und Wettbewerbsrechts, ZUM 2006, 265

Institution:

[IUM/eg]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 4236:

https://www.urheberrecht.org/news/4236/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.