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29.06.2011; 17:49 Uhr
Bestandsaufnahme und erste Handlungsempfehlungen der Internet-Enquête-Kommission zum Urheberrecht
»Dämonisierung des Urheberrechts beenden«

Am 27. Juni 2011 hat die Enquête-Kommission »Internet und digitale Gesellschaft« einen Text beschlossen, der eine Bestandsaufnahme aktueller Probleme des Urheberrechts enthält. Da zum Teil noch die empirischen Grundlagen für künftige rechtliche Maßnahmen fehlen, hat die Kommission ein Gutachten in Auftrag gegeben. Thema: »Qualität und Quantität der wirtschaftlichen Situation von Kreativen und die Auswirkungen des Urheberrechtschutzes sowie der etablierten Vergütungs- und Geschäftsmodelle auf die wirtschaftliche Situation«. Wie die Kommission mitteilt, sei ihre Arbeit von Anfang an von einem gemeinsamen Willen getragen worden, die »Dämonisierung des Urheberrechts zu beenden«. Im Detail sind jedoch einige Fragen umstritten. Die Fraktionen haben daher zu den Problemen verschiedene Handlungsempfehlungen abgegeben.

Einzelfragen der Bestandsaufnahme

Fragen der Bestandsaufnahme zum Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft sind der Begriff des geistigen Eigentums bzw. Immaterialgüterrechts, Schrankenregelungen, Schutzdauer, alternative Regelungsansätze und alternative Lizenzierungsmodelle (Creative Commons, Open Access). Die Zielrichtung des Immaterialgüterrechts wird auch innerhalb der Kommission unterschiedlich aufgefasst, so dass im vorliegenden Text mehrere Ansätze mit unterschiedlicher Gewichtung der Urheber-, Allgemein- und Nutzerinteressen zur Diskussion gestellt werden. Anstelle eines Begriffsstreits wollen die Parlamentarier jedoch anhand konkreter Sachfragen ein passendes Urheberrechtskonzept entwickeln.

In der Kommission herrscht Einigkeit darüber, dass sowohl eine enge, als auch eine weite Auslegung der Schrankenregelungen verfassungsrechtlich zulässig ist, weil deren Begründung in der Sozialpflichtigkeit des Eigentums bestehe. Umstritten ist aber, wie kreative nicht-kommerzielle Tätigkeiten im Netz (»user generated content«) geregelt werden können, da in diesen Fällen meistens keine freie Benutzung vorliege. Als möglicher Lösungsansatz wird eine Ergänzung des § 24 UrhG ebenso diskutiert wie die Einführung einer Auffangregel in der Art der »Fair Use«-Doktrin. Eine neue Schranke im Urheberrecht müsse nicht nur neue Formen der Kreativität, sondern auch den Wandel des Öffentlichkeitsbegriffes erfassen. Soziale Netzwerke böten »semi-private Öffentlichkeitsräume«, in denen vielfache Rechtsverletzungen begangen werden. Eine rechtliche Unterscheidung zwischen diesen »privaten Öffentlichkeiten« und »der alten massenmedialen Öffentlichkeit« könne beispielsweise anhand von wirtschaftlichen Kriterien getroffen werden. Die Differenzierung zwischen privatem und gewerblichem Handeln sei schließlich in anderen Rechtsgebieten »extrem relevant«, während das Urheberrecht nur privates und öffentliches Handeln kenne.

Die Schutzdauer des Urheberrechts wird kritisch beleuchtet - z.B. befänden sich Archive und Bibliotheken bei der Digitalisierung (vorbehaltlich noch zu treffender Regelungen über verwaiste Werke) oft in einer Grauzone - jedoch unter Hinweis auf die europarechtliche Harmonisierung eine starke Einschränkung des Gesetzgebungspotentials attestiert.

Im Rahmen neuer Regelungsansätze referiert die Enquête-Kommission unter anderem über die Verbesserung der Mechanismen der Rechtsdurchsetzung. Hier würden die unterschiedlichen Entwicklungsoptionen des Immaterialgüterrechts sehr deutlich. Denn während einerseits eine Intensivierung erfolgt bzw. gefordert wird, sähen andere gerade in der Masse der bekämpften Verstöße die »mangelnde Akzeptanz und damit fehlende Berechtigung des Immaterialgüterrechts an der betreffenden Stelle«. Bei Access- und Service-Providern wird die Haftungsprivilegierung als essentiell erachtet, weil Intermediäre sonst gezwungen wären, »den Datenverkehr zu kontrollieren und nach rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen«. Bei »user generated content« kann nach Einschätzung der Kommission die Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Inhalten langfristig wohl nur mittels eines Urheberrechts-Registers unterschieden werden.

Erste gemeinsame Handlungsempfehlungen der Kommission

Eine stärkere Ausrichtung auf Nutzerinteressen hält die Kommission nicht für sinnvoll. »Es gibt keinen Grund, das Konzept grundsätzlich in Frage zu stellen, Immaterialgüter vor allem durch Ausschließlichkeitsrechte der Urheber marktfähig zu machen und darüber die Anreize, Werke zu schaffen, zu erhöhen«. Allerdings müsse das Urheberrecht dem Umstand Rechnung tragen, dass anstelle des Allein-Urhebers zunehmend kollaboriert wird. Daher müsse geprüft werden, »ob für alle Werkarten bzw. Entstehungsformen kreativer Güter die Anerkennung von Persönlichkeitsrechten und Verwertungsrechten zwingend zu koppeln sind«. Zudem sollte auch stärker zwischen Verbotsrechten und Vergütungsansprüchen differenziert werden.

Es wird empfohlen, die urheberrechtlichen Vorschriften zu vereinfachen und das allgemeine Bewusstsein für die Bedeutung des Urheberrechts zu fördern (bereits in der Schule). Zu Creative Commons hat die Kommission folgende Handlungsempfehlung beschlossen: »Urheber, die für öffentlich geförderte Werke freie Lizenzen (Creative Commons) nutzen, sollten durch einen Förderbonus oder durch Anerkennung einer erhöhten Förderwürdigkeit begünstigt werden. Die Verwendung von freien Lizenzen in öffentlichen Bereichen sollte aktiv vorangetrieben werden«. Auch die traditionelle Lizenzierung müsse verbessert werden. Der Bundestag solle darauf hinwirken, dass das Recht der Verwertungsgesellschaften auf europäischer Ebene harmonisiert wird. Zudem müsse die europaweite Lizenzierung durch Aufbau einer zentralen Datenbank, bei der Urheberrechte registriert werden, erleichtert werden.

Die Fraktionen haben darüber hinaus auch gesonderte Handlungsempfehlungen abgegeben (vgl. Link). Die ausstehenden Fragen will die Enquête-Kommission nächste Woche behandeln.

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