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22.12.2006; 16:41 Uhr
Keine Bildberichterstattung über Tatverdächtigen bei eigenständigem Verletzungseffekt
Kammergericht bejaht berechtigtes Interesse bei Abbildung demütigender Umstände bei Festnahme

Die Verdachtsbildberichterstattung über die Festnahme eines Tatverdächtigen verstößt dann gegen ein berechtigtes Interesse von diesem, wenn dadurch ein eigenständiger Verletzungseffekt bewirkt wird und damit ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeben ist. Dies entschied das Kammergericht (KG) am 14.7.2006 durch Urteil (Az. 9 U 228/05 - Veröffentlichung in der ZUM folgt).

Der Antragsteller, der sich selbst schon als »Unterweltkönig« bezeichnet hatte, hatte eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Ausstrahlung einer Filmsequenz in einer von der Antragsgegnerin produzierten Sendung erwirkt, die den Ablauf seiner Festnahme wiedergab, bei der er teils entblößt und mit Wunden im Gesicht als Folge des polizeilichen Zugriffs am Boden liegend gezeigt wird. Nach Einlegung des Widerspruchs und des hierauf die einstweilige Verfügung bestätigenden Urteils blieb nun auch die Berufung der Antragsgegnerin erfolglos.

Nach Ansicht des KG sei zwar eine Abbildung des Antragstellers, der auch als Tatverdächtiger wegen seiner kriminellen Vergangenheit als relative Person der Zeitgeschichte anzusehen sei, im Rahmen einer identifizierenden Bildberichterstattung grundsätzlich zulässig. Jedoch verletze die streitgegenständliche Filmsequenz ein berechtigtes Interesse des Antragstellers gem. § 23 Abs. 2 KUG. So komme im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung und des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonderes Gewicht zu. Gemessen hieran stelle aber die angegriffene Bildberichterstattung   unabhängig von dem bestehenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der in Art und Weise gerechtfertigten Härte des polizeilichen Zugriffs   einen eigenständigen Verletzungseffekt und damit einen ganz erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers dar. Insofern sei ein Unterlassungsanspruch bei der Wiedergabe einer Festnahme nicht   wie es wohl das Landgericht Berlin gesehen habe   generell deswegen unzulässig, weil sich der Betroffene in dieser Situation nicht gegen das Fotografiert-Werden wehren könne. Vielmehr habe er ein vorrangiges Interesse, nicht in einem ihn zusätzlich demütigenden und in seiner Menschenwürde verletzenden Zustand abgebildet und veröffentlicht zu werden, da diese Situation der Öffentlichkeit in der streitgegenständlichen Filmsequenz nachhaltiger vor Augen geführt werde als durch ein Foto.

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