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16.03.2015; 15:05 Uhr
OLG Köln: Amazon-AGB-Klausel zur Rechteeinräumung an Produktfotos der Händler ist wirksam
Auch andere Teilnehmer können sich auf dieses Nutzungsrecht berufen, wenn sie sich an fremde Angebote »anhängen«

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Amazon Services Europe S.à.r.l. (Amazon), nach denen Teilnehmer am »Amazon Marketplace« Amazon ein einfaches, unbefristetes und unentgeltliches Nutzungsrecht an von ihnen dort eingestellten Inhalten einräumen, sind wirksam. Damit können sich auch andere Teilnehmer auf dieses Amazon eingeräumte Nutzungsrecht berufen, wenn sie sich an fremde Angebote »anhängen«. Dies hat das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln) durch ein dem Institut für Urheber- und Medienrecht vorliegendes Urteil vom 19. Dezember 2014 entschieden (Az. 6 U 51/14 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt).

Die Parteien des Rechtsstreits sind Online-Händler mit jeweils eigenen Internetshops. Sie nutzen zudem beide die Internetplattform »www.amazon.de« und bieten dort teilweise identische Waren an. Der Kläger ging gegen die Beklagte wegen der angeblichen unerlaubten Nutzung von Produktfotos vor, an denen er das ausschließliche Nutzungsrecht hatte.

Das Geschäftsmodell von Amazon basiert darauf, dass für jedes Produkt, welches durch einen bestimmten »EAN-Code« (European Article Number) bzw. »GTIN-Code« (Global Trade Item Number) identifiziert wird, nur eine »Produktseite« eingerichtet und zugelassen wird, auf der das Produkt abgebildet und beschrieben ist. Wird dieses Produkt von mehreren Händlern angeboten, so werden diese auf der Produktseite nacheinander gelistet. »EAN-Codes« bzw. »GTIN-Codes« dienen der überschneidungsfreien Identifizierung jedes Artikels und werden für jeden Artikel nur einmal vergeben. Als Lichtbild zur Illustrierung des angebotenen Produktes wird dem Urteil zufolge neben den jeweiligen Angeboten dasjenige Lichtbild eingeblendet, welches von dem Erstanbieter auf den Server der Internetseite »www.amazon.de« hochgeladen worden war. Zeitlich nachfolgenden Anbietern ist es zwar möglich, eigene Fotos hochzuladen, diese werden jedoch nicht anstelle eines auf dem Server der Internetseite »www.amazon.de« bereits vorhandenen Produktbildes eingeblendet. 

Die AGB von Amazon sehen vor, dass die Teilnehmer »amazon.de«ein »vergütungsfreies, zeitlich unbefristetes, umfassendes Nutzungsrecht, insbesondere zur Vervielfältigung, Verbreitung, Bearbeitung an allen Werken oder Werkteilen, sowie Datenbanken oder jedem andren Katalog oder jeden anderen Produktinformationen, die Teilnehmer im Rahmen des Online-Angebotes von amazon.de an amazon.de übermitteln... einschließlich des Rechts, diese Inhalte mit Printmedien, online, auf CD-ROM, etc. zu publizieren, auch zu Werbezwecken« einräumen.

Während die erste Instanz die Frage nach der Wirksamkeit dieser Klausel noch offen gelassen hatte (LG Köln, ZUM 2014, 436 - Veröffentlicht bei Beck Online; vgl. auch Meldung vom 26. Februar 2014), sieht das OLG Köln die Klausel als wirksam an. Eine Unwirksamkeit gem. §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB sei nicht gegeben. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild der §§ 11, 32 UrhG liege nicht vor. Eine Unentgeltlichkeit der Nutzungsrechtseinräumung sei nämlich nicht gegeben. Das Grundprinzip des »Amazon Marketplace« biete den Teilnehmern die Möglichkeit, durch »Anhängen« an bereits bestehende Angebote einzelne Angebote zusammenzuführen. Die Attraktivität des »Marketplace« werde für den Nutzer dadurch gesteigert, dass er ohne weiteres die Preise und Konditionen der einzelnen Teilnehmer für ein bestimmtes Angebot vergleichen könne. Damit sei die Teilnahme an dem System auch für die einzelnen Teilnehmer vorteilhaft. »Im Gegenzug« erhalte jeder Teilnehmer außerdem die Möglichkeit, seinerseits die Materialien anderer Teilnehmer für seine Angebote, bei denen er nicht Ersteinsteller sei, zu nutzen. Die Richter vergleichen den »Marketplace« mit einem »Peer-to-Peer«-Netzwerk, das sämtlichen Teilnehmern die Nutzung der von anderen Teilnehmern in das Netzwerk eingestellten Inhalte ermögliche. Weiter liege es in der Natur von Werbematerialien, dass durch ihren Einsatz regelmäßig keine eigenständigen Einnahmen erzielt würden. 

Auch der Umstand, dass das Nutzungsrecht zeitlich unbeschränkt eingeräumt werde, führe nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Rechteinhabers. Hierdurch werde zwar die Möglichkeit eröffnet, dass die Materialien auch dann noch von Mitbewerbern des Ersteinstellers genutzt würden, wenn dieser das ursprüngliche Angebot, für das er die Materialien zur Verfügung gestellt habe, beendet habe. Eine zeitliche Befristung des Nutzungsrechts auf die Dauer des Angebots des Ersteinstellers würde jedoch dazu führen, dass sich möglicherweise nie mit Sicherheit feststellen ließe, ob die Nutzung eines bestimmten Gegenstands noch von der Rechteeinräumung gedeckt oder bereits rechtswidrig wäre. Im Interesse der Rechtssicherheit und der einfachen Handhabung der Plattform sei daher auch die zeitlich unbefristete Einräumung eines Nutzungsrechts nicht zu beanstanden. Auch hier gelte wieder die Überlegung ,dass der Rechteinhaber im »Gegenzug« die Möglichkeit erhalte, seinerseits Materialien von Angeboten zu nutzen, die ihrerseits durch die ursprünglichen Einsteller beendet worden seien.

Die Rechteeinräumung sei zwar sehr weit gefasst. Für den vorliegenden Fall sei jedoch nicht die Klausel insgesamt, sondern nur die - abteilbare - Einräumung eines einfachen, unbefristeten und unentgeltlichen Nutzungsrechts für die Nutzung der Materialien durch »amazon.de« zu beurteilen.

Die zweitinstanzlichen Richter sind außerdem der Ansicht, dass sich auch der Beklagte auf ein Nutzungsrecht berufen kann. Dies bringe die Funktionsweise des Systems »Marketplace« mit sich: Die Einräumung des Nutzungsrechts erfolge, damit auch andere Teilnehmer die Materialien für ihre Zwecke nutzen könnten. Amazon erteile daher jedenfalls konkludent den Teilnehmern an dem System das Recht, die Gegenstände, an denen Amazon von anderen Teilnehmern Nutzungsrechte übertragen worden seien, ihrerseits für eigene Angebote zu nutzen. 

Ein - unterstellter - einfacher Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen von Amazon durch einen Teilnehmer, der sich an ein fremdes Angebot anhängt, führt nicht automatisch zum Wegfall seines Nutzungsrecht an den dort abgelegten Inhalten. Der Kläger hatte behauptet, der Beklagte habe die Angebote des Klägers durch Hinzufügen seiner Marke »blockiert«. Mangels einer Veränderung der Bilder wären absolute Rechte des Klägers hier nicht betroffen. Auch dass die Nutzungsbedingungen von Amazon so ausgestaltet sind, dass Nutzungsrechte bei einem - unterstellten - einfachen Verstoß gegen Lizenzbedingungen automatisch entfallen würden, lasse sich dem Vortrag der Parteien nicht entnehmen. 

[IUM/kr]

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