mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
15.09.2015; 19:33 Uhr
Stellungnahmen der Internetverbände BITKOM und eco zu den geplanten Neuregelungen des Telemediengesetzes
Probleme für Host-Provider: Haftungsregelung für »gefahrgeneigte Dienste« ist »schwammig und unausgegoren«

Anlässlich der am 16. September 2015 erwarteten Verabschiedung des Telemediengesetz (TMG)-Entwurfs zur WLAN-Störerhaftung durch das Bundeskabinett haben der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) und der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (eco) zum Thema Stellung genommen.

Der Entwurf zum zweiten TMG-Änderungsgesetz (2. TMGÄndG) in der Fassung vom 15. Juni 2015 sieht eine Ergänzung des § 8 des Telemediengesetzes (TMG) vor, der eine Haftungsbeschränkung für so genannte Access-Provider enthält. Er soll um drei Absätze erweitert werden (vgl. Meldung vom 12. März 2015). Danach gilt das Haftungsprivileg des § 8 TMG auch für Diensteanbieter, die Nutzern den Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk (WLAN) zur Verfügung stellen.

In einer Pressemitteilung vom 15. September 2015 kritisiert der BITKOM zunächst den Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich der technischen Voraussetzungen für die genannte Haftungsbefreiung. So muss der Diensteanbieter »angemessene Sicherungsmaßnahmen« gegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Netzwerk ergreifen. Dies bedeute für die Betreiber öffentlicher Hotspots, dass sie an jeden Nutzer Zugangscodes vergeben müssen. Nach Ansicht des BITKOM-Hauptgeschäftsführers Dr. Bernhard Rohleder sollte es ausreichen, »dass Nutzer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des öffentlichen WLANs bestätigen«. Dieses Verfahren habe sich bewährt. Rohleder beklagt, dass es im internationalen Vergleich in Deutschland wegen der Störerhaftung deutlich weniger öffentliche WLAN-Hotspots als zum Beispiel in Großbritannien, Schweden oder Frankreich gebe. So gingen in Deutschland laut einer BITKOM-Umfrage lediglich vier von zehn Internetnutzern außer Haus per WLAN ins Netz.

»Besonders kritisch« sieht der BITKOM die Verschärfung der Haftung für so genannte Host-Provider, die § 10 TMG betrifft. Ein neu gefasster Abs. 2 soll Urheberrechtsverletzungen eindämmen. Wie der Branchenverband erläutert, gelten Online-Plattformen als Host-Provider, die Inhalte für ihre Nutzer speichern, so zum Beispiel Cloud-Speicherdienste oder soziale Netzwerke. Laut der Pressemitteilung müssen die Dienste bisher für illegale Inhalte auf ihrer Plattform nicht haften und diese nur unter bestimmten Voraussetzungen entfernen. Nach Ansicht des BITKOM muss nach der geplanten Änderung ein so genannter »gefahrgeneigter Dienst« immer haften. Ein solcher liege bspw. vor, wenn die »weit überwiegende Zahl der gespeicherten Informationen« rechtswidrig verwendet werde oder der Anbieter »vorsätzlich die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert«.

In der Erläuterung des Entwurfs zum 2. TMGÄndG heißt es, dass ein Host-Provider entsprechend der so genannten E-Commerce Richtlinie dann nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen haften soll, sofern er »keine tatsächliche Kenntnis« von der Rechtsverletzung hat. Laut der Entwurfsbegründung ist nach dem Gesetzentwurf insbesondere dann von einer »Kenntnis« auszugehen, wenn das Geschäftsmodell weit überwiegend auf der Verletzung von z.B. Urheberrechten aufbaut, was bei Auslegung des geltenden Rechts auch heute bereits der Fall sei. Dies solle nun durch den Entwurf eindeutig festgelegt werden.

Der BITKOM sieht in der Regelung allerdings kein geeignetes Werkzeug, um Urheberrechtsverstöße einzugrenzen oder zu verhindern. »Das Problem sind nicht die geltenden Gesetze, sondern deren Durchsetzung«, so Rohleder. So seien die illegalen Plattformen in der Regel nicht in Deutschland angesiedelt, sondern stünden in nahezu allen Fällen unerreichbar im Ausland. Dies mache es schwer, die Dienste vom Netz zu nehmen. Die geplante Neuregelung führe vielmehr aufgrund ihrer »schwammig formulierten Kriterien« zu einem enormen Aufwand für die legalen Host-Provider beim Nachweis, dass sie nicht illegal handeln. 

Auch der Verband eco hält die Kriterien in § 10 Abs. 2 des 2. TMGÄndG laut einer Pressemitteilung vom 15. September 2015 für »schwammig und unausgegoren«. Besonders der Begriff der »gefahrgeneigten Dienste« könnte sich potenziell auf die gesamte Host-Provider Branche negativ auswirken und zahlreiche etablierte und allgemein anerkannte Geschäftsmodelle wie cloudbasierte Services, Medien-Plattformen und Social Media Dienste kriminalisieren, mit unabsehbaren Folgen für die Nutzer.

Weiter sei die geplante Regelung EU-rechtswidrig. Hierbei stützt sich eco auf ein selbst in Auftrag gegebenes Gutachten der Medienrechtler Dr. Dieter Frey, Dr. Matthias Rudolph sowie Dr. Jan Oster. Die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern sei bereits auf europäischer Ebene im Rahmen der so genannten E-Commerce Richtlinie geregelt. Der Anwendungsbereich und die inhaltliche Rechweite der Host-Provider-Privilegierung könnten nicht national festgelegt werden. Die geplante Regelung stehe außerdem im Widerspruch zur europäischen Strategie für den digitalen Binnenmarkt und greife gleichzeitig der Europäischen Kommission vor, die bis Ende 2015 eine umfassende Untersuchung über die Rolle von Plattformen und Mittlern im Internet einleiten wolle. »Dieser Gesetzesentwurf sorgt systematisch und rechtlich für Chaos« zitiert die Pressemitteilung Dr. Dieter Frey.

Wie der BITKOM befürchtet der eco, dass die geplante Regelung zu den »gefahrgeneigten Diensten« voraussichtlich ausschließlich legale und etablierte Geschäftsmodelle treffen werde, während die »schwarzen Schafe«, denen der Gesetzgeber hier eigentlich habhaft werden wolle, vom Ausland aus agierten und damit unbehelligt blieben. »Die Regelung ist ein Zugeständnis an die Partikularinteressen der Rechteinhaber, insbesondere der Musikindustrie« so Oliver Süme, eco Vorstand Politik & Recht. »Dem im Koalitionsvertrag und der Digitalen Agenda 2014-2017 erklärten Ziel, durch die Einschränkung des Haftungsprivilegs für Hostprovider der Verletzung von Urheberrechten entgegenzuwirken, kommt die Bundesregierung mit diesem Entwurf allerdings keinen Schritt näher, stattdessen setzt sie sämtliche Host-Provider einem unnötigen Haftungsrisiko aus« . 

Dokumente:

Institutionen:

[IUM/kr]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 5462:

https://www.urheberrecht.org/news/5462/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.