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Begründung zum Einundzwanzigsten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Einundzwanzigster Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

A. Allgemeines

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben vom 5. bis 18. Dezember 2017 den Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet.

Die Änderungen des Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages betreffen den Rundfunkstaatsvertrag, den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, den ZDFStaatsvertrag und den Deutschlandradio-Staatsvertrag.

Durch Artikel 1 wird der Rundfunkstaatsvertrag geändert. Neben redaktionellen Änderungen erfolgen Anpassungen im Hinblick auf die am 25. Mai 2016 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1; L 314 vom 22. November 2016, S. 72).

Die Datenschutz-Grundverordnung wurde aufgrund der raschen technologischen Entwicklung und der Globalisierung, die das Datenschutzrecht vor neue Herausforderungen stellt, erlassen. So haben sich der Europäische Rat, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission auf eine umfassende Reform des europäischen Datenschutzrechts verständigt, um eine weitergehende europäische Rechtsharmonisierung im Datenschutzrecht zu erreichen. Die Datenschutz-Grundverordnung gilt gemäß Artikel 99 Abs. 2 ab dem 25. Mai 2018 unmittelbar unionsweit und löst die geltende EG-Datenschutzrichtlinie (RL 95/46/EG) ab. Neben der Gewährleistung eines freien Datenverkehrs innerhalb des Europäischen Binnenmarktes zielt die Datenschutz-Grundverordnung auf die Sicherstellung des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten (Artikel 1 Abs. 2 und 3 der Datenschutz-Grundverordnung). Materielle Regelungen und deren Anwendung durch die nationalen Behörden und Gerichte sollen durch die Datenschutz-Grundverordnung stärker als früher vereinheitlicht werden. Zugleich stärkt die DatenschutzGrundverordnung die Rechte der Betroffenen.

Die Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung führt zu grundlegenden strukturellen Änderungen im nationalen Datenschutzrecht: Aufgrund des Rechtsformwechsels hin zu einer Verordnung bedürfen die Regelungen keiner Umsetzung in das nationale Recht, sondern sind vielmehr ab dem 25. Mai 2018 unionsweit unmittelbar anwendbar. Trotz ihres Charakters als Verordnung enthält die DatenschutzGrundverordnung aber eine Reihe obligatorischer Handlungsaufträge an die Mitgliedstaaten, die eine zwingende Ausgestaltung im nationalen Datenschutzrecht erforderlich machen, beispielsweise die Errichtung unabhängiger Aufsichtsbehörden. Darüber hinaus räumt die Datenschutz-Grundverordnung dem nationalen Gesetzgeber, insbesondere im öffentlichen Bereich, im Rahmen sog. Öffnungsklauseln, wie vor allem in den Artikeln 4, 23 Abs. 1 Buchst. e und 85, Regelungsspielräume ein. Diese lassen im nationalen Datenschutzrecht Raum für Ausnahmen und Abweichungen von zentralen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung.

Den Landesgesetzgebern steht damit eine Frist bis zum 25. Mai 2018 zur Verfügung, um die rundfunkrechtlichen Staatsverträge an die Vorgaben der DatenschutzGrundverordnung anzupassen. Bis zu diesem Termin sind Rechtsvorschriften aufzuheben, die wegen des Geltungsvorrangs der Datenschutz-Grundverordnung nicht mehr anzuwenden sind und die auch nicht aufgrund der den Mitgliedstaaten eingeräumten Regelungsermächtigungen, insbesondere für die Datenverarbeitung im öffentlichen Bereich, fortgeführt werden können. Darüber hinaus sind bis zu diesem Zeitpunkt die in der Verordnung enthaltenen Regelungsaufträge umzusetzen, um Anwendungslücken zu vermeiden.

Nach Artikel 85 der Datenschutz-Grundverordnung haben die Mitgliedstaaten „durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken [G] in Einklang“ zu bringen. Die Mitgliedstaaten sind also in der Form eines Abwägungsgebotes verpflichtet, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Informationsfreiheit zu schaffen.

Der Abwägungsvorgang für Abweichungen und Ausnahmen von der Datenschutz-Grundverordnung ist grundsätzlich dem Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten zuzuordnen. Die Kompetenz für die vorzunehmenden Abwägungsentscheidungen liegt damit bei den Mitgliedstaaten. Dieser für die gesamte Datenschutz-Grundverordnung Geltung beanspruchende Grundsatz erfährt im Anwendungsbereich des Artikels 85 der Datenschutz-Grundverordnung eine zusätzliche Verstärkung, weil die Europäische Union für den kulturellen Bereich keine Harmonisierungskompetenz besitzt, was in Artikel 167 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 47), der sogenannten Kulturklausel, seine Bestätigung findet. Die Rundfunk- und Kulturpolitik ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten.

Der durch Artikel 85 der Datenschutz-Grundverordnung grundsätzlich eröffnete Ausschluss ganzer Kapitel ermöglicht eine Ausgestaltung, die im Wesentlichen dem Umfang der bisher vorhandenen Medienprivilegien entspricht. Dies umfasst insbesondere die hinsichtlich der bei Recherche und Vorbereitung von Publikationen unverzichtbare Befugnis zur Verarbeitung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung des Betroffenen, den Ausschluss von Auskunfts- und Berichtigungsansprüchen betroffener Personen und das Fehlen einer staatlichen datenschutzrechtlichen Aufsicht.

Die Ausnahmen und Beschränkungen sind bisher und auch zukünftig aufgrund der herausragenden Bedeutung freier, keiner staatlichen Kontrolle unterworfener Medien für die öffentliche Meinungsbildung und die Meinungsvielfalt in einem demokratischen System und ihrer unerlässlichen Kontrollaufgabe ("Wächteramt") geboten und gerechtfertigt. Ohne die Verarbeitung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils betroffenen Personen wäre journalistische Arbeit nicht möglich und die Presse könnte ihre in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Artikel 11 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zuerkannten und garantierten Aufgaben nicht wahrnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 1 B 32/15, Rdnr. 5, m.w.N.).

Die Abwägungsentscheidung zwischen den widerstreitenden Grundrechtspositionen der informationellen Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes) einerseits und der Meinungs-, der Informations- und den Medienfreiheiten (Artikel 5 Abs. 1 S. 1 und 2 des Grundgesetzes) andererseits wurde bereits im Rahmen der bestehenden datenschutzrechtlichen Regelungen vorgenommen. Diese Abwägungsentscheidung wurde im Lichte der DatenschutzGrundverordnung einer erneuten Überprüfung unterzogen, insbesondere auch im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten und der Meinungs- und Medienfreiheit gemäß der Artikel 8 und 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die Untersuchung führte allerdings zu keinen erheblichen Veränderungen bei der Gewichtung der einzelnen Positionen.

Die in den rundfunkrechtlichen Staatsverträgen vorgenommenen Änderungen beschränken sich daher auf Anpassungen, deren Notwendigkeit sich durch die Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung ergeben. Von den in der Verordnung enthaltenen Regelungsermächtigungen wurde umfangreich Gebrauch gemacht, ohne den insbesondere durch Artikel 85 der Datenschutz-Grundverordnung eingeräumten Umsetzungsspielraum zu überschreiten. Die Möglichkeit, weitgehend an bewährten Strukturen festzuhalten, entspricht nach der Entstehungsgeschichte von Artikel 85 Abs. 1 und 2 auch der Intention des europäischen Gesetzgebers.

Im Medienbereich wird so ein einheitliches, angemessenes und ausgewogenes Datenschutzniveau gewährleistet, das für die betroffene Person zudem durch den zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutz flankiert wird.

Darüber hinaus wird durch Artikel 1 im Rundfunkstaatsvertrag eine Betrauungsnorm im Sinne des Artikels 106 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union geschaffen. Die Regelung stellt klar, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neben ihrer schon bisherigen Betrauung mit der Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote auch damit betraut sind, dabei miteinander zu kooperieren. Hierdurch wird klargestellt, dass diese bei binnenmarktrelevanten Kooperationen im Auftragsbereich grundsätzlich nicht den Regelungen des europäischen Wettbewerbsrechts unterliegen. Ziel der Neuregelung ist es, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine erhöhte Rechtssicherheit bei Kooperationen im Auftragsbereich zu geben, damit diese bestehende Effizienzpotentiale heben können. Zudem wird die grundsätzliche Durchführung von Kooperationen verpflichtend, was neben der angestrebten Effizienzsteigerung auch für die umsatzsteuerrechtliche Bewertung relevant ist.

Mit Artikel 2 werden im Hinblick auf das Inkrafttreten der DatenschutzGrundverordnung Anpassungen im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgenommen.

Mit Artikel 3 und 4 erfolgt die Anpassung des ZDF- und des Deutschlandradio-Staatsvertrages an die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung. Die Unabhängigkeit des Rundfunkdatenschutzbeauftragen als zuständige Aufsichtsbehörde im Sinne des Artikels 51 der Datenschutz-Grundverordnung ist unter anderem durch das Verfahren seiner Ernennung (§ 16), seine personelle und finanzielle Ausstattung (§ 17) und die ihm zustehenden Befugnisse im Sinne von Artikel 52 Datenschutz-Grundverordnung (§ 18) gewährleistet.

 

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