Begründung zum Dreiundzwanzigsten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Dreiundzwanzigster Rundfunkänderungsstaatsvertrag)
A. Allgemeines
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben vom 10. bis 28. Oktober 2019 den Dreiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet. Durch Artikel 1 wird der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geändert.
Mit der Änderung der Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags erfolgt die notwendige Anpassung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 zur Befreiung von Nebenwohnungen von der Rundfunkbeitragspflicht (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16). Darin führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass ein privater Beitragsschuldner zur Abschöpfung desselben Vorteils nicht mehrfach herangezogen werden darf. Daher dürfen Inhaber mehrerer selbst genutzter Wohnungen für die Möglichkeit privater Rundfunknutzung nicht mit mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden. Die bisherige Geltendmachung eines weiteren Rundfunkbeitrags für Nebenwohnungen verstößt laut dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit.
Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht aus:
„Nach der derzeit geltenden Rechtslage wird der Zweitwohnungsinhaber für denselben Vorteil doppelt herangezogen. Der Vorteil ist personenbezogen in dem Sinne, dass es auf denjenigen Vorteil aus dem Rundfunkempfang ankommt, den die Beitragspflichtigen selbst und unmittelbar ziehen können […]. Das Rundfunkangebot kann aber von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden. Das Innehaben weiterer Wohnungen erhöht den Vorteil der Möglichkeit zur privaten Rundfunknutzung nicht, und zwar unabhängig davon, wie viele Personen in den jeweiligen Wohnungen zusammenwohnen. Die Inhaberschaft einer Wohnung ist lediglich der gesetzliche Anknüpfungspunkt zur typisierenden Erfassung der dem Individuum grundsätzlich flächendeckend bereitgestellten Möglichkeit des privaten Rundfunkempfangs. Da der durch den Beitrag abgeschöpfte Vorteil nicht in einer Wertsteigerung der Wohnung liegt […], erhöht sich der Vorteil der Möglichkeit des Rundfunkempfangs durch die Nutzung einer weiteren Wohnung nicht. Nach der derzeitigen Regelung ist mit der Heranziehung einer Person in der Erstwohnung der Vorteil abgeschöpft, und kommt insoweit eine erneute Heranziehung einer Zweitwohnung nicht in Betracht.“ (BVerfG, a.a.O., Rn. 107).
Neben den Anpassungen der Rundfunkbeitragspflicht wird mit dem Dreiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag der Meldedatenabgleich als ein grundsätzlich periodisch durchzuführendes Kontrollverfahren gesetzlich verankert. Ein einmaliger Meldedatenabgleich wurde erstmals mit dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Rahmen der Umstellung der Rundfunkfinanzierung von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr auf den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag durchgeführt. Mit dem Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde eine nochmalige Durchführung des Meldedatenabgleichs vorgesehen. Der Meldedatenabgleich wurde jeweils mit dem Ziel eingeführt, größtmögliche Beitragsgerechtigkeit zu erreichen und ein strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit zu vermeiden (vgl. hierzu Begründung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, S. 43 und Begründung zum 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, S. 25). Beim zweiten einmaligen Meldedatenabgleich sollte zudem die notwendige Datengrundlage geschaffen werden, auf der über die Wirksamkeit des Meldedatenabgleichs zur Erreichung langfristiger Beitragsgerechtigkeit entschieden werden kann.
Die bisher singulär erfolgten Meldedatenabgleiche wurden von der Rechtsprechung als geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Maßnahmen zur Vermeidung eines Vollzugsdefizits und zur Herstellung größerer Beitragsgerechtigkeit beurteilt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Übermittlung der Daten im Rahmen der beiden Meldedatenabgleiche als zulässiges Instrument anerkannt (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 109).
Die im Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag normierte Evaluierung hatte zum Ergebnis, dass die bisherige Übermittlung der Meldedaten (insbesondere bei Umzügen und Todesfällen) allein nicht ausreichend ist, um den Datenbestand der Rundfunkanstalten dauerhaft aktuell zu halten und somit den Zielen der Beitragsgerechtigkeit und der Vermeidung eines Erhebungs- und Vollzugsdefizits gerecht zu werden. Die Rechtsprechung hat bestätigt, dass die Sicherung der Aktualität des Datenbestands ein legitimer Zweck für die Durchführung eines Meldedatenabgleichs ist. Weniger beeinträchtigende Mittel, die ebenso weitreichende Aufklärung ermöglichen, sind nicht zu erkennen. Die Beeinträchtigungen für die Betroffenen sind zudem gering, so dass der Gesetzgeber den Gemeinwohlbelang, die Beitragsehrlichkeit durch Kontrollmöglichkeiten zu ergänzen, höher gewichten darf (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. November 2018, Vf. 1-VII-18).
Zur Einschätzung der durch den Meldedatenabgleich betroffenen datenschutzrechtlichen Belange wurde am 29. April 2019 eine Anhörung durchgeführt, bei der die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, deren betriebliche Datenschutzbeauftragte, die Rundfunkdatenschutzbeauftragten und die Datenschutzbeauftragten der Länder vertreten waren. Die vorgebrachten Positionen wurden bei der Ausgestaltung der Vorschrift zum Meldedatenabgleich einbezogen. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zwischen Beitragsgerechtigkeit und dem Schutz persönlicher Daten ist eine Ausnahmeregelung vorgesehen. Der Meldedatenabgleich erfolgt dann nicht, wenn der Datenbestand nach Prüfung durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hinreichend aktuell ist.
Der Dreiundzwanzigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält zudem nähere Vorgaben zur Datenverarbeitung und zu Auskunftsansprüchen der Beitragszahler gegenüber der zuständigen Landesrundfunkanstalt. Diese Regelungen konkretisieren die bisher bestehenden Vorgaben im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1; L 314 vom 22. November 2016, S. 72). Die erforderliche Anpassung gesetzlicher Regelungen an die Vorgaben der DatenschutzGrundverordnung wurde bereits mit dem Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgenommen.