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09.10.2006; 12:01 Uhr
Keine Löschung von alten Presseartikeln über Straftäter aus Online-Archiv
OLG Frankfurt a. M.: Keine Beeinträchtigung des Rechts auf Anonymität und Resozialisierung

Die Archivierung von Presseartikeln über Straftäter in Online-Archiven stellt keine unzulässige Berichterstattung dar, die das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt a. M.) durch Beschluss vom 20.9.2006 (Az. 16 W 55/06 - Veröffentlichung in der ZUM folgt). Mit mit dieser Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (LG Frankfurt a. M.). Dieses hatte den Antrag eines Strafttäters zurückgewiesen, einem Zeitungsverlag zu untersagen, Presseartikel aus den Jahren 1996, 1998 und 2003 über den Strafprozess des Antragstellers im Online-Archiv zur Recherche bereitzuhalten.

Nach Ansicht des OLG Frankfurt a. M. könne im vorliegenden Fall nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angewandt werden, wonach eine spätere Berichterstattung dann unzulässig sei, wenn sie zu einer neuen oder zusätzlichen Beeinträchtigung des Antragstellers führe, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefährde. Denn die entsprechenden Artikel seien zunächst zulässig gewesen, ihre spätere Speicherung im Online-Archiv der Zeitschrift stelle daneben keine aktuelle Berichterstattung dar, da sie damit nicht ohne weiteres zugänglich seien, sondern erst nach konkreter Suche über die Suchfunktion auf der Website der Antragsgegnerin oder über eine Internet-Suchmaschine. Bei beiden Abfragefunktionen sei der Nutzer sich darüber bewusst, keine aktuelle Berichterstattung vor sich zu haben. Im Übrigen greife zugunsten des Bestands des Archivs das Grundrecht auf Informationsfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Hiernach geschützte allgemein zugängliche Quellen dürften nicht dadurch verändert werden, dass eine ursprünglich zulässige Berichterstattung nachträglich gelöscht werde. Auch treffe die Archiverwaltung der Presse keine turnusmäßige Überprüfungspflicht, ob einzelne Artikel »nunmehr quasi durch Zeitablauf wegen Anonymitätsinteresses eines eines ehemaligen Straftäters zu sperren seien«.

In einem Urteil vom 5.10.2006 hingegen bejahte das LG Frankfurt a. M. laut einer Pressemitteilung vom 6.10.2006 in einem anderen Verfahren die Anforderungen für die Untersagung einer Berichterstattung über einen Straftäter. So stelle sich die Berichterstattung der Antragsgegnerin vom Mai 2006 über die vorzeitige Haftentlassung eines der beiden Veurteilten im Rahmen des »Sedlmayr-Prozesses« von 1993 bei voller Namensnennung des Betroffenen als erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar. Insbesondere liege kein aktueller Anlass wegen der Entlassung aus der Haft vor, das zu einem Übrwiegen des Informationsinteresses der Öffentlichkeit führe, da hierdurch sein entgegen stehendes Recht auf Anonymität und Resozialisierung gefährdet werde.

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