Branchenverband der Digitalen Wirtschaft veröffentlicht Rechtsgutachten zu Netzsperren
Die Inanspruchnahme von Internetprovidern zur Sperrung von Internetseiten, wie sie von Familienministerin Ursula von der Leyen für Fälle von Kinderpornographie angekündigt wurde (vgl. Meldung vom 15. Januar 2009), setzt gesetzliche Neuregelungen voraus. Das geht aus einem Gutachten des Branchenverbandes der Digitalen Wirtschaft e.V. (BVDW) hervor. Da die Anbieter von Internetzugängen nicht für Rechtsverletzungen verantwortlich seien, die im Internet begangen werden, könnten sie nicht als Störer in Anspruch genommen werden. Ihre Verpflichtung, als Nichtstörer den Zugriffs auf bestimmte Internetseiten zu sperren, könne somit nur auf Grundlage klarer gesetzlicher Regelungen erfolgen. Neben einer Kostenerstattung für diese Maßnahmen müsse auch eine Freistellung etwaiger Haftungsansprüche vorgesehen werden, so Matthias Ehrlich, Vize-Präsident des BVDW. Ebenfalls notwendig sei die gesetzliche Definition des Merkmals »schwerwiegende Rechtsverletzungen herausragender Rechtsgüter«.
Selbst bei Vorliegen entsprechender Neuregelungen dürfe dem Gutachten zufolge eine hoheitliche Sperrungsverfügung nur als »ultima ratio« in Fällen erlassen werden, in denen die Rechtsverletzungen außerhalb der EU erfolgt. Im Übrigen sei die vollständige Verhinderung des Zugriffs auf die betreffenden Seiten aufgrund der dezentralen Struktur des Internets ohnehin nicht möglich, sondern lediglich Zugangsbeschränkungen, die auch zu Kollateralschäden, etwa durch fehlende Erreichbarkeit weiterer, unbeteiligter Homepages, führen könnten. Mit Blick auf die betroffenen Grundrechte des Telekommunikationsgeheimnisses, der Berufs-, Eigentums- und der Informationsfreiheit sei hier eine Abwägung erforderlich. Wegen der Verpflichtung zur Einhaltung des Telekommunikationsgeheimnisses sei auch eine freiwillige Sperrung durch die Provider nicht ohne entsprechende rechtliche Grundlage möglich.
Als weiteres Thema analysiert das BVDW-Gutachten die zivilrechtliche Haftung von Host-Providern, die weiterhin große Rechtsunsicherheit berge. Da der Umfang der Prüfpflichten und die Störerhaftung der Anbieter lediglich fallbezogen durch den Bundesgerichtshof bestimmt worden seien, müssten diese allgemein durch den Gesetzgeber definiert werden. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Gerd M. Fuchs, Justiziar des BVDW, sei hier die gesetzliche Bestimmung einer subsidiären Haftung der Host-Provider und die Festlegung des durch die Rechtssprechung erarbeiteten »Notice & Takedown«-Verfahrens bei Rechtsverletzungen wünschenswert.
Diese Judikatur sei hingegen nicht auf die Anbieter von Internet-Zugängen übertragbar, da diese lediglich die Verbindung herstellen. Hier müsse daher eine entsprechende Klarstellung erfolgen, dass keine Haftung der Access-Provider für Rechtsverletzungen Dritter besteht. Mit Blick auf den urheberrechtlichen Drittauskunftsanspruch in § 101 Abs. 2 und 9 UrhG, der dem Rechteinhaber ein unmittelbares Vorgehen gegen den Verletzer ermögliche, sei kein Raum für weitere Verpflichtungen für Access-Provider, wie etwa bei dem »Olivennes«-Modell, so der BVDW
Dokumente:
- Pressemitteilung BVDW vom 20. Januar 2009
- Gutachten BVDW zum Haftungsregime für Host- und Access-Provider im Bereich der Telemedien
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 3521:
https://www.urheberrecht.org/news/3521/
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