BGH entscheidet über Grenzen der elterlichen Kontrollpflicht bei Filesharing ihrer minderjährigen Kinder
Eltern haften nur unter bestimmten Umständen für den illegalen Musiktausch ihrer Kinder im Internet. Soweit sie ihr 13-jähriges, normal entwickeltes Kind, über die Rechtswidrigkeit des so genannten Filesharings aufgeklärt haben und keinen konkreten Anlass zu Misstrauen haben, können sie für finanzielle Schäden nicht verantwortlich gemacht werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am heutigen Donnerstag und hob damit das Urteil der Vorinstanz auf (Az.: I ZR 74/12 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt).
Vier führende Tonträgerhersteller hatten gegen die Eltern wegen der Verletzung von Urheberrechten an 15 Musiktiteln auf Schadensersatz geklagt. Über den Internetanschluss der Beklagten waren am 28. Januar 2007 insgesamt 1.147 Audiodateien mit Musiktiteln aus dem Repertoire der Klägerinnen im Internet öffentlich zugänglich gemacht worden. Nach Erstattung einer Strafanzeige folgte eine Wohnungsdurchsuchung und die Beschlagnahme des PCs des damals 13-jährigen Sohnes. Die Beamten fanden auf dem PC eine Filesharing-Software sowie zwei Dateiordner mit Musikstücken, eine davon mit dem Ordnernamen »My Music«, die andere mit dem Ordnernamen »Papas Music«.
Das Landgericht Köln hatte die Beklagten durch Urteil vom 30. März 2011 (Az.: 28 O 716/10) zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.000 Euro verurteilt. Dies bestätigte das OLG Köln durch Urteil vom 23. März 2012 (Az.: 6 U 67/11, ZUM 2012 697 - Volltext bei Beck Online). Nach Ansicht der Richter kommt es nicht darauf an, ob die Eltern selbst an der Internet-Tauschbörse teilgenommen haben. Sie hätten jedenfalls ihre Aufsichtspflicht im Hinblick auf die Internetaktivitäten ihres Sohnes verletzt. Die eingesetzten technischen Sicherheitsvorkehrungen seien nicht ausreichend gewesen. Die nach ihren Angaben durchgeführten monatlichen Kontrollen hätten aufzeigen müssen, dass auf dem PC Filesharing-Software installiert gewesen sei. Bei der Festlegung des Schadensersatzbetrags von 200 Euro pro Musikstück hat sich das OLG auf einen GEMA-Tarif für vergleichbare Nutzungssachverhalte gestützt.
Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und die Klage der vier Tonträgerhersteller abgewiesen. Nach Ansicht der Richter des 1. Zivilsenats genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht gegenüber einem normal entwickelten 13-jährigen Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, bestehe grundsätzlich nicht. Derartige Maßnahmen fallen erst in die Pflicht der Eltern, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internanschlusses durch das Kind haben. In der mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter Bornkamm einem Artikel des »Stern« zufolge bereits angedeutet, dass bei der Aufsichtspflicht die jeweils altersgemäße Einsichtsfähigkeit von Kindern eine Rolle spielen könnte.
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