BGH zweifach zu "Recht auf Vergessen"
Der BGH hat heute in gleich zwei Verfahren über Auslistungsbegehren gegen Google und damit zum "Recht auf Vergessen" entschieden (VI ZR 405/18; VI ZR 476/18). Laut Pressemitteilung haben die Karlsruher Richter dabei im ersten Verfahren die Revision zurückgewiesen und im zweiten Verfahren dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Im ersten Verfahren (VI ZR 405/18) war der Kläger Geschäftsführer einer Wohlfahrtsorganisation. Die Regionalpresse berichtete im Jahr 2011 über ein finanzielles Defizit der Organisation und darüber, dass sich der Kläger kurz vor Bekanntwerden krankgemeldet hatte, alles unter Nennung seines vollen Namens. Der Kläger begehrte deshalb von der Suchmaschine, die entsprechenden Treffer bei der Suche nach seinem Namen auszulisten. Sowohl seine Klage beim LG Frankfurt (2-03 O 190/16) als auch seine Berufung beim OLG Frankfurt (vgl. OLG Frankfurt ZUM-RD 2019, 79) waren erfolglos.
Der BGH führte dazu aus, dass es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf Auslistung bestehe, einer umfassenden Grundrechtsabwägung bedürfe. Vorliegend ergebe sich der Anspruch aber nicht aus Art. 17 DS-GVO. Im konkreten Fall müssten aber die Grundrechte des Klägers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten sowie auf Schutz seines Privatlebens hinter die Grundrechte des Suchmaschinenbetreibers, dessen Nutzer und der beteiligten Presseorgane zurücktreten. Gerade die fortdauernde Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Berichterstattung sei für die Entscheidung maßgeblich gewesen, so das Gericht. Gleichzeitig stellte der BGH jedoch klar, dass der Betreiber einer Suchmaschine nicht erst dann tätig werden müsse, wenn er von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt. Damit änderte das Gericht seine Rechtsprechung, welche das Gericht noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO entwickelt hatte (vgl. BGH ZUM 2018, 433).
Im zweiten Verfahren (VI ZR 476/18) klagte ein Paar, welches gemeinsam Finanzdienstleistungen erbracht hat. In mehreren Artikeln, welche auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens erschienen sind, wurde über das Geschäftsmodell der Kläger kritisch berichtet und Erpressungsvorwürfe geäußert. Die Kläger begehren die Auslistung der in Rede stehenden Artikel von Google, da sie die Vorwürfe als unwahr bezeichnen. Außerdem beantragen sie gegen den Suchmaschinenbetreiber, es zu unterlassen, die Artikel mit ihren Fotos als Vorschaubilder, genannt "thumbnails", zu bebildern. Die Klage war sowohl vor dem LG Köln (28 O 492/15) als auch dem OLG Köln (15 U 178/17) erfolglos.
Der BGH setzte das Verfahren laut Pressemitteilung nun aus und legt dem EuGH zwei Fragen vor. Einerseits wollen die deutschen Richter von ihren Luxemburger Kollegen wissen, ob bei der im Rahmen von Art. 17 Abs. 3 a) DS-GVO erforderlichen Abwägung auch berücksichtigt werden müsse, ob ein Kläger bei Streit über die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung nicht in zumutbarer Weise diese Frage z.B. im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem Inhalteanbieter klären könnte. Bei der zweiten Frage will der BGH wissen, ob in Bezug auf angezeigte Vorschaubilder in der Abwägung auch der Kontext des verlinkten Artikels zu berücksichtigen ist.
Der BGH entschied in den beiden Verfahren zum ersten Mal zu dem Rechtskomplex "Recht auf Vergessen" seit Inkrafttreten der DS-GVO im Mai 2018.
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