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2. Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu § 1:

 

Absatz 1 legt den Anwendungsbereich dieses Staatsvertrages fest. Der Staatsvertrag gilt für die Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk in Deutschland in einem dualen Rundfunksystem. Dem entspricht sein Aufbau, der neben allgemeinen Vorschriften für beide Systeme jeweils in einem eigenen Abschnitt besondere Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und besondere Vorschriften für den privaten Rundfunk enthält.

 

Absatz 2 stellt klar, dass das jeweilige Landesrecht nur anzuwenden ist, soweit keine anderslautenden Regelungen im Staatsvertrag oder aufgrund des Staatsvertrages bestehen.

 

Zu § 2:

 

Absatz 1 Satz 1 entspricht der Definition, wie sie bisher in Artikel 1 des Staatsvertrages über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 5. Dezember 1974, zuletzt geändert durch Staatsvertrag vom 1./3. April 1987, enthalten war. Der Begriff „Rundfunk“ wird vom Grundgesetz in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 vorausgesetzt, ohne dass er eine unmittelbare verfassungsrechtliche Konkretisierung erfährt. Sein Inhalt ist daher aus einer am normativen Funktionszweck orientierten Betrachtungsweise zu erschließen. Der Begriff „Rundfunk“ ist dynamisch zu interpretieren und damit für neue technische Entwicklungen flexibel und offen. Dies ist von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (BVerfGE 73, 118, 154). Rundfunk umfasst als Oberbegriff die beiden Teilbereiche Hörfunk und Fernsehen, aber auch andere nicht der Individualkommunikation dienende Bereiche. Satz 2 enthält insofern keine Erweiterung des Rundfunkbegriffs aus Satz 1, sondern eine Konkretisierung insbesondere für den Bereich des Pay-TV und des Fernsehtextes. Auf die physikalische Art der Übertragung kommt es nach diesem Begriffsbild nicht an.

 

Absatz 2 definiert einige wesentliche Begriffe des Staatsvertrages, um die einzelnen Bestimmungen zu entlasten. Soweit Begriffsdefinitionen nur zu einzelnen Vorschriften erforderlich wurden, sind diese dort aufgenommen. Solche Begriffsbestimmungen finden sich z. B. in § 7 Abs. 1 und § 17 Abs. 1.

 

Die Abgrenzung zwischen Vollprogramm und Spartenprogramm wird nach den Inhalten des Programms vorgenommen. Ein Vollprogramm muss danach vielfältige Inhalte aufweisen und die Bereiche Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung berücksichtigen. Die im einzelnen aufgeführten Bereiche müssen dabei zusammen einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden. Demgegenüber liegt ein Spartenprogramm dann vor, wenn das Rundfunkprogramm im wesentlichen gleichartige Inhalte aufweist. Ein Fensterprogramm setzt das Vorhandensein eines Mantelprogramms, d. h. eines Vollprogramms oder Spartenprogramms voraus. Im Rahmen dieses Mantelprogramms wird ein in zeitlicher und in örtlicher Hinsicht begrenztes Programm aufgenommen. Ein Fensterprogramm kann auf ein sehr kleines Verbreitungsgebiet begrenzt sein, kann aber auch Gebiete mehrerer Länder erfassen. Nicht maßgeblich für den Begriff des Fensterprogramms ist die Art seiner Veranstaltung. Sowohl der Veranstalter des weiterreichenden Programms als auch ein Dritter können Fensterprogramme veranstalten.

 

Zu § 3:

 

§ 3 Abs. 1 bis 3 entspricht der bisher geItenden Regelung. Aufgrund seiner Stellung im allgemeinen Teil des Rundfunkstaatsvertrages gilt diese Vorschrift für den gesamten Bereich des Rundfunks, also für alle privaten Programme unabhängig von bundesweiter, regionaler oder lokaler Verbreitung und ebenso für alle Programme der Landesrundfunkanstalten und des ZDF.

 

Damit trägt der Staatsvertrag dem Umstand Rechnung, dass dem Jugendschutz, dem Schutz vor Pornographie sowie dem Schutz vor Rassenhass, Kriegsverherrlichung und Verherrlichung und Verharmlosung von Gewalt im Sinne einer ländereinheitlichen Regelung eine ganz besondere Bedeutung zukommt.

 

Absatz 1 bezeichnet Sendungen, die ausnahmslos unzulässig sind. Er erfasst mit den Nummern 1 und 3 Straftatbestände und mit der Nummer 2 die Kriegsverherrlichung sowie mit der Nummer 4 sonstige Darstellungen, die offensichtlich geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich schwer zu gefährden.

 

Die Absätze 2 und 3 enthalten keine Ausnahmen von den Verboten des Absatzes 1; sie treffen vielmehr Vorsorge gegen eine Beeinträchtigung des körperlichen, geistigen und des seelischen Wohls von Kindern oder Jugendlichen, indem sie vorschreiben, zu welchen Tageszeiten ungeeignete Sendungen nicht verbreitet werden dürfen, es sei denn, dass anderweitig ausgeschlossen wird, dass die Sendungen von Kindern oder Jugendlichen üblicherweise wahrgenommen werden. Dabei wird weitestgehend an das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit und an das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften angeknüpft. Soweit sich Regelungen über Filme nach dem neuen Jugendschutzrecht, z. B. auf bespielte Videokassetten beziehen, gilt § 3 ebenfalls. Die Vorschrift erfasst alle Bildträger, die unter das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit fallen.

 

Absatz 4 lässt Abweichungen von den Grundsätzen der Absätze 2 und 3 zu. Er entspricht insoweit ebenfalls der bisherigen Rechtslage. Die bisher durch eine Rückverweisung geregelte Befugnis der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und des ZDF neben den Landesmedienanstalten in Richtlinien oder für den Einzelfall Ausnahmen von den Zeitgrenzen zu gestatten und von der Bewertung abzuweichen, wurde nunmehr aus systematischen Gründen unmittelbar in Absatz 4 geregelt. Abgewichen werden kann im Einzelfall oder durch Richtlinien von den Sendezeitgrenzen oder von den Bewertungen, die den Absätzen 2 und 3 zugrunde liegen; dies gilt vor allem für Filme, deren Bewertung länger als 15 Jahre zurückliegt. Es ist aber auch zulässig, von einer Bewertung von Filmen hinsichtlich der Freigabe für Jugendliche bestimmter Altersgruppen in begründeten Einzelfällen durch Ausnahmeentscheidung oder für eine bestimmte Gruppe von Filmen durch Richtlinien abzuweichen, obwohl die Bewertung noch keine 15 Jahre zurückliegt.

 

Zielen die in Satz 1 niedergelegten Handlungsmöglichkeiten allein auf eine Lockerung von Sendezeitbeschränkungen zugunsten der Veranstalter, so wird mit dem neu eingefügten Satz 2 den Rundfunkanstalten und den Landesmedienanstalten zusätzlich die Möglichkeit eingeräumt, in Richtlinien oder für den Einzelfall auch für Filme, auf die das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit keine Anwendung findet oder die nach diesem Gesetz für Jugendliche unter 16 Jahren freigegeben sind, zusätzliche zeitliche Beschränkungen vorzusehen. Filme, die nach diesem Gesetz für Jugendliche unter 16 Jahren freigegeben sind, sind diejenigen, die die obersten Landesbehörden mit „Freigegeben ohne Altersbeschränkung“, „Freigegeben ab 6 Jahren“ und „Freigegeben ab 12 Jahren“ gekennzeichnet haben.

 

Ziel dieser Regelung ist es, den rundfunkspezifischen Besonderheiten, die bei der Ausstrahlung eines Filmes oder einer Serie im Vergleich zu einer Video- oder Filmvorführung bestehen, angemessen Rechnung tragen zu können. Dadurch kann das einfache Zeitraster, mit dem an die für Kino- und Videofilme geltenden Jugendfreigaben angeknüpft wird, unter Berücksichtigung der Fernsehgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen differenziert ergänzt werden, indem z. B. für Programmblöcke mit Spielfilmen eines bestimmten Genres engere Zeitgrenzen festgelegt werden können. Dies gilt besonders für Fernsehserien. So prüft die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), wenn ihr eine einzelne Serienfolge zur Beurteilung vorgelegt wird, auftragsgemäß nur die Jugendverträglichkeit dieser einzelnen Serienfolge. Demgegenüber mag aber gerade der Gesamteindruck der Serie und die besondere Wirkung häufig wiederkehrender bestimmter Gewalttätigkeiten bei der Fernsehausstrahlung zu einer von der FSK-Bewertung abweichenden Beurteilung Anlass geben. Durch Absatz 4 Satz 2 erhalten Rundfunk- und Landesmedienanstalten die Möglichkeit, den Ausstrahlungszeitpunkt einer Serie zu beeinflussen, auch wenn eine Einzelfolge von der FSK für Jugendliche unter 16 Jahren freigegeben wurde. Entsprechendes gilt für Filme, auf die das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit keine Anwendung findet.

 

Damit führt Absatz 4 die bisher geltende flexible Regelung konsequent fort und ermöglicht, den heutigen Anschauungen voll zu entsprechen. Die Regelung trägt den Rundfunkveranstaltern, aber auch dem betroffenen Personenkreis Rechnung.

 

Neu eingefügt wurde Absatz 5, der vorsieht, dass die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und die Landesmedienanstalten sich beim Erlass ihrer Richtlinien nach Absatz 4 gegenseitig ins Benehmen setzen. Damit sollen im Hinblick auf den einheitlichen Schutzzweck der Norm unterschiedliche Handhabungen im öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk vermieden werden.

 

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