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20.11.2006; 12:37 Uhr
Sachverständige diskutieren über wissenschaftsfreundliches Urheberrecht
§§ 52 b, 53 a UrhG-E im Brennpunkt der Anhörung zum Zweiten Korb

Mit dem dritten Teil nahm am 20.11.2006 die Anhörungsreihe des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf der Bundesregierung »zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft« (»Zweiter Korb«) ihren Fortgang. Gegenstand waren zunächst die Schrankenregelungen hinsichtlich Bildung, Wissenschaft und Kopienversand. Dabei gingen die Ansichten vor allem bei der Frage auseinander, ob eine stärkere Betonung der Interessen der Wissenschaft oder der Verlagsseite zu erfolgen habe.

Als einer der Hauptstreitpunkte zeichnete sich die neue Vorschrift des § 52 b UrhG-E zur Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven ab. Für eine Einbeziehung allgemein von Bildungseinrichtungen in den Kanon der begünstigten Institutionen, einen campusweiten elektronischen Zugriff auf Werke von Universitätseinbibliotheken bzw. im Rahmen wissenschaftlicher Verbundprojekte sowie den Verzicht auf die im Gesetzentwurf vorgesehene Zugriffsbeschränkung auf körperlich vorhandene Werkexemplare stritt Professor Rainer Kuhlen vom Aktionsbündnis »Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft«. Diese Forderungen stützte Professor Reto Hilty vom Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht mit dem Verweis auf die Bedeutung und der Erhalt der Konkurrenzfähigkeit der Wissenschaft im globalen Wettstreit, weshalb sich Regelungen, die neue Technologien ausschlössen, sich nur nachteilig auswirkten. Dem trat Professor Haimo Schack von der Universität Kiel mit dem Argument entgegen, dass dadurch ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsrechte der Verlage drohe. Dem schloss sich Christian Sprang vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels an, zudem würden mit der gegenwärtigen Regelung innovative Angebote der Verlage verhindert werden. Er schlug stattdessen Selbstverpflichtungen und Lizenzlösungen durch die Verlage vor, die seiner Meinung besser geeignet seien. In der Argumentation ähnlich verlief die Diskussion zu Regelung des Dokumentenversands durch nicht-kommerzielle Anbieter gem. § 53 a UrhG-E, insbesondere in Hinblick auf die Frage, ob die Versandmöglichkeit auch auf den digitalen Weg erweitert werden sollte oder nicht, was insbesondere Professor Kuhlen einforderte, um nicht ins »Steinzeitalter der Informationsversorgung« zurückzufallen.

Auseinander gingen die Ansichten auch bei dem Punkt des »open access«-Ansatzes, um wissenschaftliche Erkenntnisse einer größeren Verbreitung zuzuführen. Professor Hilty gab dabei der Wissenschaft und der Zugänglichkeit zur Information den Vorrang. Um einen Systemwettbewerb zwischen proprietären und offenen Geschäftsmodellen zu ermöglichen, unterstützten er sowie Professor Kuhlen grundsätzlich die bereits vom Bundesrat vorgeschlagene Erweiterung des § 38 UrhG (siehe Meldung vom 15.5.2006), den Inhalt wissenschaftlicher Beiträge unbeachtlich ausschließlich eingeräumter Nutzungsrechte nach Ablauf von sechs Monaten seit Erstveröffentlichung anderweitig öffentlich zugänglich machen zu können, soweit dies zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt sei. Sprang und Professor Schack warnten bei diesem Vorschlag jedoch vor verfassungsrechtlichen Implikationen, da dadurch den Verlagen eingeräumte Nutzungsrechte ausgehöhlt würden und deutsche Autoren internationalen Zeitschriften keine ausschließlichen Nutzungsrechte einräumen könnten.

Schließlich wiesen Andreas Baer für den VdS Bildungsmedien e.V. und Sprang darauf hin, statt - wie bislang in § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG-E vorgesehen - einer angemessenen Vergütung für die Nutzung von Kopien für den Schulunterricht eine Bereichsausnahme für Bildungsmedien einzuführen, die die Vervielfältigung unter den Vorbehalt der Einwilligung der Berechtigten stellen soll. Diese sollte mit den in §§ 46 Abs. 1 Satz 2, 52 a Abs. 2 UrhG-E vorgesehenen Regelungen harmonisiert werden, um einen zu erwartenden Missbrauch abzuwenden. Professor Hilty zeigte sich für eine solche Regelung offen, plädierte aber aus gesetzessystematischen Gründen für eine Zusammenfassung der Sonderfälle, um so die » zerklüfteten« Schrankenregelungen übersichtlicher zu gestalten.

Dokumente:

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Behindert das Urheberrecht den Zugang zu wissenschaftlkichen Publikationen? Aufsatz von Professor Dr. Dr. h. c. Georg Sandberger, Tübingen, ZUM 2006, 818-828 (Heft 11)
  • Die Erstellung von Fotokopien für den Schulunterricht - Urheberrechtliche, verfassungsrechtliche und europarechtliche Aspekte der geplanten Änderung des § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG, Aufsatz von Professor Dr. Christian Berger, Leipzig, ZUM 2006, 844-853 (Heft 11)
[IUM/hl]

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