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22.03.2007; 12:08 Uhr
Berufungsurteil zum »Contergan«-Film ergeht am 10. April 2007
FDP warnt vor Einschränkung der Kunstfreiheit in Spielfilmen durch möglicherweise betroffene Persönlichkeitsrechte

Das Urteil im Rechtsstreit um den WDR-Zweiteiler »Eine einzige Tablette« wird voraussichtlich am 10.4.2007 ergehen. Dies ist das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamburg (OLG Hamburg) am 20.3.2007. Der Film hat die Ereignisse um den »Contergan«-Skandal zum Gegenstand, hiergegen hatte sich das Pharmaunternehmen Grünenthal GmbH und ein in dem Film dargestellter Vater eines der geschädigten Kinder gerichtlich gewehrt.

Wie die »Süddeutsche Zeitung« (SZ) berichtet, ergab die Verhandlung aber auch, dass die Chancen der Berufungskläger, der WDR und die Produktionsfirma Zeitsprung GmbH, gut stehen für eine Aufhebung in großen Teilen der gegen die Ursprungsfassung des Fernsehfilms gerichteten einstweiligen Verfügung, die das Landgericht Hamburg am 28.7.2006 durch Urteil bestätigt hatte (ZUM 2007, 212-219, Heft 3). So ließen die OLG-Richter laut »SZ« erkennen, dass entgegen dem LG Hamburg nicht das Drehbuch, sondern der darauf basierende und bereits abgedrehte Film als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen sei. Dieser stelle sich aber eindeutig als Spielfilm dar. So seien insbesondere Familiengeschehnisse und Gespräche zwischen Firmenmitarbeitern nirgends dokumentiert, weshalb es für den Zuschauer ersichtlich sei, dass es sich dabei um eine fiktionale Darstellung handele. Grünenthal dagegen vertritt die Ansicht, dass es Schlüsselszenen handele, die die Ereignisse um den Contergan-Skandal schwerwiegend entstellten, weshalb die Firma sich in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt sieht. Jedoch haben sich WDR und Zeitsprung bereits verpflichtet, jeweils im Vor-und Abspann der Teile einen 30-sekündigen Text mit dem Hinweis auf den fiktionalen Charakter des Films auszustrahlen.

Die FDP-Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Otto und Christoph Waitz warnten unterdes davor, durch eine zu starke Betonung des Persönlichkeitsrechts die Kunstfreiheit zu sehr einzuschränken. Dies aber bedrohe die fiktionale Aufarbeitung zeithistorischer Themen. Vor diesem Hintergrund begrüßten sie die Äußerungen des OLG Hamburg und lehnten die Auffassung des LG Hamburg ab, wonach bereits eine geringe Abweichung des fiktiven Filmcharakters von der historischen Person genüge, um die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu bejahen. Dies werde aber dem Grundsatz der Gleichrangigkeit der Persönlichkeitsrechts und der Kunstfreiheit nicht gerecht: »Kunstfreiheit ist kein Grundrecht zweiter Klasse«, so die beiden Abgeordneten am 21.3.2007.

Von dem Verfahren vor dem OLG Hamburg zu unterscheiden ist die weitere von Grünenthal am 16.3.2007 erwirkte einstweilige Verfügung, mit der das Unternehmen die Ausstrahlung auch einer überarbeiteten Fassung des Zweiteilers verhindern will (siehe Meldung vom 16.3.2007).

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