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29.06.2007; 16:52 Uhr
Unbekannte Nutzungsarten - Neue Organisation der Rechteverwaltung?
Gesetzesänderungen stellen alle Beteiligten vor Herausforderungen - Uneinigkeit aber bei der Frage, zu wessen Lasten

Die unbekannten Nutzungsarten im Urheberrecht und die Organisation der Rechteverwaltung waren das Thema des diesjährigen Münchner Symposions zum Film- und Medienrecht, veranstaltet vom Institut für Urheber- und Medienrecht am 29.6.2007. Dabei ging es nicht nur um die Konsequenzen der neuen Regelungen zur Einräumung von Rechten unbekannter Nutzungsarten im »Zweiten Korb« für die Praxis, sondern auch um die Frage, wie die Rechteverwaltung im digitalen Umfeld generell effizienter und mit Blick auf neue Nutzerprofile einfacher verwaltet werden können. Dabei stellte Staatsminister Eberhard Sinner von der Bayerischen Staatskanzlei in seinem Grußwort dem Symposion gewissermaßen die Maxime jedes gesetzgeberischen Handelns voran, dem kreativen Potential Raum zur Entfaltung zu bieten, was nur durch einen entsprechenden rechtlichen Rahmen gewährleistet werden könne.

Bei der Beurteilung dieses rechtlichen Rahmens jedoch gingen die Ansichten der Referenten auseinander. So sind im Zuge der jüngsten Verhandlungen die Vorschriften zu den neuen §§ 31 a ff. UrhG gegenüber dem Regierungsentwurf nochmals verändert worden; statt eines möglichen Widerrufs einer vertraglichen Einräumung bis zur Aufnahme der Nutzung soll nun der Verwerter über die beabsichtigte Aufnahme der Nutzung zunächst informieren. Nach Ablauf von drei Monaten ab Information soll das Widerrufsrecht dann erlöschen. Der zusätzliche Vergütungsanspruch nach § 32 c UrhG soll ferner nur durch eine Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden können (§ 137 l Abs. 5 UrhG). Professor Johannes Kreile, Rechtsanwalt aus München, und Peter Weber, stellvertretender Justitiar des ZDF, bezeichneten diese Ausgestaltung nicht als eine ideale Lösung der Sachfragen. Insbesondere die Frage der Vergütung und deren möglicher Wegfall für den Fall, dass die neue Nutzung eine alte vollständig ersetzt, dürfte ein »Quell' neuen Streits« werden, so Kreile, während Weber den fehlenden Einbezug von Tarifvertragsmodellen bemängelte. Auch werde das Widerspruchsverfahrens insgesamt zu Hindernissen bei der Verwertung führen; im Übrigen bestünde mit der Einführung des § 137 l Abs. 5 UrhG letztlich auch gar kein Bedürfnis mehr für ein Widerrufsrecht.

Zu einem fast schon verheerenden Urteil gelangte Professor Fred Breinersdorfer, Drehbuchautor und Produzent aus Berlin, der meinte: »Die Novellierung zu den unbekannten Nutzungsarten ist das Papier nicht wert, auf dem es steht«. Zwar habe er nichts gegen den Grundsatz, auch die Verwertung neuer Nutzungsarten zu erleichtern. Jedoch müsse auf der anderen Seite der Waagschale dann auch eine angemessene Vergütung stehen, die aber bei der gegenwärtigen Ausgestaltung nicht gewährleistet werde. Der einzelne Urheber, aber auch kleine und mittlere Produzenten besäßen nicht die Marktmacht, um ihren Vergütungsanspruch nach § 32 c UrhG durchsetzen zu können, sondern unterlägen vielmehr gewissen Zwängen und Rücksichtnahmen. Gleiches gelte für die Wahrnehmung ihres Widerrufsrechts. Einzig in der Rolle der Verwertungsgesellschaften sah er Positives, jedoch müssten diese allein das Recht haben, die Rechte über neue Nutzungsarten vorzuhalten und diese auch jedermann einzuräumen.

Einen Blick in die Zukunft der Rechteverwaltung wagte Professor Gerhard Pfennig, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Bild-Kunst, der dazu aufforderte, zunächst zu einer neuen Definition und Abgrenzung bei den Rechteinhabern und Nutzern zu gelangen. Vor allem die Unterscheidung zwischen Urheber und Produzent als Rechteinhaber mit unterschiedlichen Interessen und in der Regel Sendern als Nutzer verstelle den Blick für eine zukunftsfähige Rechtewahrnehmung. So überschnitten sich bei den ersten beiden häufig die Interessen, während zu den traditionellen Nutzern neue wie z. B. Telekommunikationsanbieter hinzukämen. Hier gelte es, Fronten zu begradigen und Verwertungsgesellschaften durch eine stärkere Vernetzung besser zu positionieren. Wenig hilfreich in diesem Zusammenhang seien die Vorgaben aus Brüssel, die den Handlungsspielraum zu weit einschränkten und insbesondere Fragen der kulturellen Vielfalt zu sehr in den Hintergrund drückten. Dies gelte - und darin war er sich mit Weber einig - sowohl für die Empfehlung der Europäischen Kommission zur kollektiven Rechtewahrnehmung für grenzübergreifende Online-Musikdienste wie auch für das derzeit noch laufende CISAC-Verfahren (siehe hierzu Meldungen vom 13.3.2007 und 13.6.2007). Dennoch zeigte er sich optimistisch, auch mit dem neuen, durchaus mangelbehafteten rechtlichen Instrumentarium erfolgreiche Modelle der Rechtewahrnehmung zu verwirklichen.

Dokumente:

  • Die Vorträge der Referenten sind mittlerweile zusammen mit einem ausführlichen Diskussionsbericht in der ZUM 10/2007 veröffentlicht.

Institutionen:

[IUM/hl]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 3077:

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