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13.03.2008; 10:13 Uhr
Totales Beteiligungsverbot für politische Parteien an privatem Rundfunk ist verfassungswidrig
BVerfG: Gebot der Staatsferne rechtfertigt nur Ausschluss bei bestimmender Einflussnahme auf Programmgestaltung

Das absolute Verbot im Hessischen Privatrundfunkgesetz (HPRG) für politische Parteien, sich an privaten Rundfunkveranstaltungen zu beteiligen, ist mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 21 GG nicht vereinbar. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in einem Urteil vom 12.3.2008 (Az. 2 BvF 4/03 - Veröffentlichung in der ZUM folgt).

Mit ihrem abstrakten Normenkontrollantrag haben sich 232 SPD-Abgeordnete des Deutschen Bundestages gegen § 6 Abs. 2 Nr. 4 HPRG gewandt, der vorsieht, dass politischen Parteien oder Wählergruppen sowie Unternehmen und Vereinigungen, an denen politische Parteien oder Wählergruppen beteiligt sind, und bei entsprechenden Treuhandverhältnissen eine Zulassung für einen privaten Rundfunksender nicht erteilt werden darf. Von dieser Regelung betroffen war der Radiosender FFH, an dem die SPD über die Deutsche Druckerei und Verlagsgesellschaft (DDVG) mittelbar in einer Höhe von 2,3444 Prozent beteiligt war (hierzu sowie zu den verfassungsrechtlichen Einwänden der Antragsteller siehe Meldung vom 30.7.2007).

Nach Auffassung der Karlsruher Richter verstößt die verfahrensgegenständliche Norm zwar nicht in formeller, jedoch in materieller Hinsicht gegen Verfassungsrecht. Mit den aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Geboten der Staatsfreiheit des Rundfunks und der Gewähr der Meinungsvielfalt korrespondiere zum einen ein unmittelbares und mittelbares Beherrschungsverbot, zum anderen aber auch der Ausschluss jeglicher politischen Instrumentalisierung des Rundfunks. Dieser Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks sei daher grundsätzlich auch bei der Beteiligung von politischen Parteien an der Veranstaltung und Überwachung von Rundfunk zu beachten, weil auch diese, verglichen mit anderen gesellschaftlichen Kräften, eine besondere Staatsnähe aufwiesen, was z. B. auch bei der Besetzung oberster Staatsämter deutlich werde. Auf der anderen Seite seien jedoch auch die Rechte der privaten Rundfunkbetreiber und die verfassungsrechtlich abgesicherte Position der Parteien berücksichtigen. Letztere könnten sich sowohl auf die Meinungsfreiheit als auch grundsätzlich auf die Rundfunkfreiheit berufen, da die Kommunikationsfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 GG die besondere, durch den Mitwirkungsauftrag des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG geprägte, Funktion der Parteien ergänzten.

Vor diesem Hintergrund stehe dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu, die Zulässigkeit der Beteiligung von Parteien im Privatrundfunk zu regeln. Zum Erhalt der Meinungsvielfalt und zur Wahrung der Staatsferne sei der Ausschluss von Parteien dann geeignet, wenn es um den Ausschluss bestimmenden Einflusses oder auch indirekter Einwirkungen von politischen Parteien gehe, die sich letztlich als Druck auf die im Rundfunk Tätigen auswirkten. Eine entsprechende gesetzliche Regelung sei dann verfassungsgemäß, wobei die Beurteilungskriterien nicht nur einer aktienrechtlichen Definition der Beherrschung folgen müssten, denn entscheidend sei allein der tatsächliche Einfluss auf die Programmgestaltung. Außer Verhältnis und somit als verfassungswidrig sei jedoch das absolute Verbot einer Beteiligung von politischen Parteien einzuschätzen, und zwar mit Blick auf die Parteien deswegen, weil sie so gezwungen würden, auch bei einer nur sehr geringfügigen Beteiligung ihre Anteile zu veräußern, unabhängig davon, ob die Partei bei einer geringfügigen Beteiligung überhaupt Einfluss auf das jeweilige Rundfunkunternehmen ausüben könnte. Aber auch der Rundfunkveranstalter und Bewerber um eine Zulassung werde in seinem Recht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unangemessen betroffen, weil er sich nur mit einem mit einem außerordentlichen Aufwand und - im Falle mehrfach gestufter Beteiligungsverhältnisse - wohl nicht mit letzter Sicherheit dagegen schützen könne, dass nicht doch eine mittelbare Minimalbeteiligung einer Partei vorliege, und er damit Gefahr dass ihm der Widerruf oder die Versagung der Zulassung drohte.

Die Entscheidung des BVerfG ist hinsichtlich der materiellrechtlichen Fragestellungen mit 5:3 Stimmen ergangen. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, zeigte sich erfreut über das Urteil und verwies auf die lange Tradition von Verlagsbeteiligungen seiner Partei, die sie auch weiterhin gegen sachwidrige Angriffe verteidigen wolle. Demgegenüber bezeichneten es die Medienexperten der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Waitz und Hans-Joachim Otto, als problematisch festzustellen, ab wann Parteien durch eine Medienbeteiligung bestimmenden Einfluss auf ein Rundfunkunternehmen erhalten würden. Unter dem Aspekt der Transparenz sei § 6 Abs. 2 Nr. 4 HPRG klar und schlüssig gewesen; nun sei es umso wichtiger, dass die Medien mit Parteibeteiligung freiwillig diesen Umstand auswiesen.

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