Bundestag: Anhörung zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger
Der Rechtsausschuss im Bundestag hat sich am 4. März 2015 in einer öffentlichen Anhörung mit der heftig umstrittenen Frage zur Zukunft des Leistungsschutzrechts für Presseverleger auseinandergesetzt. Sieben Sachverständige nahmen Stellung zu dem Gesetzesentwurf der Bundestagsfraktionen der Parteien »DIE LINKE« und »Bündnis 90/Die Grünen« zur Aufhebung des Achten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Leistungsschutzrechtsaufhebungsgesetz (vgl. Meldung vom 26. November 2014). Für die Abschaffung plädierten auch die Rechtsprofessoren Gerald Spindler von der Universität Göttingen und Malte Stieper von der Universität Halle-Wittenberg sowie der IT-Fachanwalt Thomas Stadler und der Sachverständige Philipp Otto von iRights.info. Letzterer geht in seiner Stellungnahme sogar so weit, das Leistungsschutzrecht als das »möglicherweise schlechteste Gesetz der letzten Legislaturperiode« zu bezeichnen. Das Gesetz habe nicht zu einer Besserstellung der Verlage geführt, sondern zu einer Benachteiligung eher kleinerer und mittlerer Suchmaschinen und Newsaggregatoren, indem diese im Gegensatz zu Google zu entsprechenden Zahlungen aufgefordert wurden, was das Deutsche Patent- und Markenamt zu entsprechenden Verfahren im Rahmen der Staatsaufsicht gegenüber der Verwertungsgesellschaft VG Media veranlasst habe. Auch Prof. Stieper sieht in dem Gesetz eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten von Google, was die Frage aufwerfe, ob nicht die in der VG Media zusammengeschlossenen Verlage ihre Marktmacht missbrauchten. Der »Webfehler« des Leistungsschutzrechts sei offensichtlich, so Spindler: Mit der Einführung des Leistungsschutzrechts könnten nicht gewünschte Regulierungen eines marktbeherrschenden Unternehmens erreicht werden.
Für die Beibehaltung des Leistungsschutzrechts sprach sich Dr. Sebastian Doedens, Pressesprecher des Münchner Burda-Verlags, aus. Burda gehört u.a. zu den Verlagen, die die VG Media mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Leistungsschutzrecht beauftragt haben. Wie »Golem« am 4. März 2015 berichtete, sprach Doedens von einer Schieflage in der digitalen Welt: »Die einen erstellen die Inhalte teuer, während die anderen kostenlos davon profitieren«. In diesem Zusammenhang weist Otto darauf hin, dass die Verlage den Suchmaschinenbetreibern durch technische Einstellungen auf ihrer Webseite beispielsweise »robots.txt« die Auffindbarkeit der Inhalte oder die Anzeige der Snippets verbieten könnten. Prof. Felix Hey, Geschäftsführender Gesellschafter des Kölner Verlags Dr. Otto Schmidt KG, setzt dem entgegen, dass das wesentliche Merkmal des Urheberrechts die vorherige Zustimmung und nicht das Verbot sei. Das Gesetz folge dem Prinzip des »Opt In« und nicht technischen Lösungen des »Opt Out«. Prof. Spindler sieht gerade die so geforderte Zustimmung der Verlage als gegeben an. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) (Urteil des BGH vom 29. April 2010 ZUM 2010, 580 - Vorschaubilder, nachzulesen bei BeckOnline) folge, dass jeder, der seine Inhalte ohne besondere Schutzmaßnahme ins Internet einstelle, einwillige, dass sie zu sozialadäquaten Maßnahmen, insbesondere von Suchmaschinen genutzt würden.
Neben Sebastian Doedens sprachen sich auch Prof. Felix Hey und die Jura-Professorin Eva Inés Obergfell von der Berliner Humboldt-Universität für den Schutz der Presseverleger aus. Letztere sieht eine gangbare und letztlich vorzugswürdige Alternative allerdings in der Schaffung einer Schranke für Suchmaschinenutzungen, die einwilligungsfrei, aber vergütungspflichtig und verwertungsgesellschaftenpflichtig ausgestaltet werden könnte. Die Schaffung einer solchen Schranke ließe sich allerdings nur auf europäischem Wege und nach entsprechender Änderung des Richtlinienrechts erreichen. Änderungen der jetzigen Regelung erschienen ihr im Detail zwar notwendig. Mangels einer kurzfristigen Realisierungschance größerer Lösungen sprächen die besseren Argumente allerdings für eine grundsätzliche Beibehaltung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger. Eine ersatzlose Abschaffung des Presseverlegerleistungsschutzrechts wäre gerade angesichts der laufenden Schiedsstellenverfahren verfrüht. Der häufig angebrachte Kritikpunkt der unbestimmten Rechtsbegriffe des Leistungsschutzrechts ist nach Ansicht von Hey und Obergfell von der Rechtsprechung zu füllen. Den Gegnern des Leistungsschutzrechts dauert dies zu lang. Ein Aussitzen sei keine Option, so Otto, da eine Entscheidung des BGH frühestens in 9 bis 10 Jahren zu erwarten sei. Wie Stiepler »Golem« zufolge bemerkte, habe er bei seiner wissenschaftlichen Erörterung des Gesetzes festgestellt, dass es de facto nicht kommentierbar sei. »Es enthält so viele unbestimmte Begriffe, dass man keine Bewertung treffen kann«, sagte Stieper. Nach Ansicht aller Gegner müssen die negativen Folgen des Gesetzes so schnell wie möglich beseitigt werden.
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