mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
29.11.2006; 14:47 Uhr
Kein Konsens bei Neuregelungen zu unbekannten Nutzungsarten im Urheberrecht
Letze Anhörung im Bundestag zum »Zweiten Korb« - neues Widerrufsrecht kritisiert

Im Rahmen des letzten Teils der Anhörungsreihe des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 29.11.2006 diskutierten die Sachverständigen die Änderungsvorschläge des Regierungsentwurfs zu den Regelungen der unbekannten Nutzungsarten im Urheberrechtsgesetz. Die bisher in § 31 Abs. 4 UrhG geregelte Unwirksamkeit der Einräumung von Rechten hierüber oder Verpflichtungen dazu soll gestrichen und durch einen Vergütungsanspruch der Berechtigten ersetzt werden, § 31 a UrhG-E. Danach soll der Urheber aber bis zu Beginn der Verwertung der neuen Nutzungsart durch den Vertragspartner die Einräumung widerrufen können, es sei denn, beide Vertragsparteien haben sich zuvor nach Bekanntwerden der neuen Nutzungsart auf eine gesonderte angemessene Vergütung geeinigt. Ferner soll der Vertragspartner den Urheber über die Aufnahme der neuen Art der Werknutzung unverzüglich unterrichten.

Professor Haimo Schack von der Universität Kiel lehnte die Änderungsvorschläge in ihrer vorliegenden Form als nicht ausgereift ab. Einzig vertretbar sei es, nach dem Tod des Urhebers »das Ausschließlichkeitsrecht in der Hand der (nicht immer leicht feststellbaren) Erben zu einem Anspruch auf angemessene Vergütung abzuschwächen«. Zu Lebzeiten sei dies aber nicht praktikabel, da der wirtschaftliche Wert nicht abzuschätzen sei. Ferner sei die Widerrufslösung »ziemlich hinterhältig«, da den Urhebern eine Erkundigungsobliegenheit über neue Nutzungsmöglichkeiten aufgebürdet werde, wollen sie nicht durch die Aufnahme der Nutzung durch ihre(n) Vertragspartner ihres Widerrufsrechts verlustig gehen. Auf letzteren Punkt machten auch Wolfgang Schimmel von der Initiative Urheberrecht und Steffen Schmidt-Hug vom Bundesverband Regie (BVR) aufmerksam; das Gesetz verlange von einem Nutzer explizit nicht, den Urheber eines Werkes ausfindig zu machen, so Schimmel. Für den Filmbereich wies Schmidt-Hug darauf hin, dass § 31 Abs. 4 UrhG bislang dafür gesorgt habe, den Urheber finanziell an der Verwertung seiner Werke zu beteiligen; dies bleibe angesichts der nach wie vor bestehenden Praxis des »total-buy-out« weiterhin erforderlich. Nach Schmidt-Hugs Ansicht sollte aber das Widerrufsrecht auch nach Ableben des Urhebers erhalten bleiben.

Demgegenüber begrüßten Professor Joachim Bornkamm, Richter am Bundesgerichtshof, und Professor Fred Breinersdorfer vom PEN-Zentrum Berlin grundsätzlich die Änderungen, da den Urhebern sich so auch die durch die technischen Entwicklungen sich ergebenden neuen Nutzungsarten und damit auch neue Einnahmequellen erschlössen. Wichtig sei dabei aber eine angemessene Beteiligung der Urheber an der neuen Nutzung. Ähnlich sah dies Peter Weber vom ZDF, der zudem die Regelung in § 137 l UrhG als sinnvoll ansah, wonach die Streichung von § 31 Abs. 4 UrhG auf alle Verträge erstreckt werden soll, die zwischen 1.1.1966 und dem Inkrafttreten dieser Novelle geschlossen wurden. Die Ansicht von Schimmel, dies sei eine Enteignung der Urheber, da unklar bleibe, wie sie ihren Anspruch nach § 137 l Abs. 5 UrhG-E durchsetzen sollen, teilte Weber nicht; ihm ginge es nicht darum, die Vergütung zu senken. Auch Professor Johannes Kreile von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO) forderte zumindest für den Filmbereich eine widerlegbare Übertragungsvermutung der in § 137 l Abs. 1 UrhG-E vorgesehenen Übertragungsfiktion. Im Übrigen betonte er, dass mit den Änderungsvorschlägen für eine vertragsbasierte Übertragbarkeit der Nutzungsrechte für Rechts- und Planungssicherheit bei der Herstellung von Filmwerken gesorgt werde. Jedoch sei seiner Ansicht nach das Widerrufsrecht gänzlich entbehrlich, weshalb es ersatzlos gestrichen werden, hilfsweise zumindest erst gelten sollte, wenn die Nutzungsart bekannt geworden sei.

Auch bei der Frage der Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit zur Durchsetzung der Vergütungsansprüche herrschte unter den Experten keine Einigkeit. Während Kreile sich gegen eine Verwaltung der unbekannten Nutzungsarten in den Händen der Verwertungsgesellschaften aussprach und für individuelle Regelungen zwischen Urheber und Nutzer plädierte, sahen Schmidt-Hug und Breinersdorfer darin eine effektive und verwaltungsarme Durchsetzung des Vergütungsanspruchs der Urheber.

 

Dokumente:

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Der rückwirkende Entfall unbekannter Nutzungsrechte (§ 137 l UrhG-E) - Schließt die Archive? Aufsatz von Professor Dr. Gerald Spindler und Jörn Heckmann, Göttingen, ZUM 2006, 620-630 (Heft 8/9)

Weitere Medienrecht News:

[IUM/hl]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 2872:

https://www.urheberrecht.org/news/2872/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.