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20.06.2007; 11:29 Uhr
Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums: Anhörung offenbart divergierende Einschätzungen
Unterschiedliche Ansichten zu Richtervorbehalt sowie Offensichtlichkeit und Gewerblichkeit der Rechtsverletzung, Deckelung der Abmahnkosten mehrheitlich abgelehnt

Die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums beim Kampf gegen Produktpiraterie zu stärken ist das erklärte Ziel des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs zur »Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums« (BT-Dr. 16/5048), mit dem zugleich die Vorgaben der EU-Durchsetzungsrichtlinie in deutsche Recht umgesetzt werden sollen. Hierzu fand nun am 20.6.2007 eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen auf Einladung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages statt. Einer der Hauptstreitpunkte des Gesetzentwurfs war die Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs, wie er u. a. in § 101 UrhG-E vorgesehen ist. Gem. § § 101 Abs. 1 UrhG-E ist ein Auskunftsanspruch gegen den Verletzer direkt nur bei einer Rechtsverletzung »im geschäftlichen Verkehr« möglich, beim Drittauskunftsanspruch nur im Falle eines »gewerblichen Ausmaßes« auf Seiten des Dritten, § 101 Abs. 2 UrhG-E, sowie eines »geschäftlichen Handelns« des Verletzers (was nicht im Gesetzestext selbst, sondern nur in der Gesetzesbegründung genannt wird). Mit dem Drittauskunftanspruch sollen vor allem Internet Service Provider zur Auskunft verpflichtet werden, um Fälle von Peer-to-Peer-Tauschbörsen zu erfassen, was von Vertretern der Film- und Musikbranche für unerlässlich angesehen wird in ihrem Kampf gegen Internetpiraterie.

Patrick von Braunmühl vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Bundesbeauftragte für Datenschutz Peter Schaar und Oliver Süme vom Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) plädierten im Interesse eine Begrenzung des Anwendungsbereichs des Anspruchs und einer Bewahrung von gutgläubigen Internetnutzern vor dem Generalverdacht kriminellen Handelns für eine Beibehaltung des »gewerblichen Ausmaßes«. Während von Braunmühl jedoch noch eine Klarstellung bei der Abgrenzung dieses Merkmals zum »geschäftlichen Handeln« allgemein anriet, wies Volker Kitz vom Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München detailliert auf die unterschiedlichen Folgen bei der Rechtsanwendung hin und forderte, das »gewerbliche Ausmaß« in § 101 Abs. 2 UrhG-E zugunsten eines Satzes 2 zu streichen, in dem klarstellend auf ein gewerbliches Handeln oder ein solches Ausmaß im quantitativen Sinne bei Verletzer und Drittem abzustellen sei; somit würden auch Fälle ohne Gewinnerzielungsabsicht erfasst. Einen Schritt weiter gingen Heiko Wiese von der Spitzenorganistion der Filmwirtschaft (SPIO) und Peter Zombik vonm Bundesverband der phonographischen Wirtschaft (IFPI), die grundsätzlich die ersatzlose Streichung eines geschäftlichen Handelns auf Seiten des Dritten forderten; ein solches Erfordernis folge gerade nicht aus der Durchsetzungsrichtlinie, da alle Textfassungen außer der deutschen dieses Merkmal nur beim Dritten, nicht aber beim Verletzer vorsähen.

Auch die beim Drittauskunft geforderte »Offensichtlichkeit« der Rechtsverletzung provozierte unterschiedliche Ansichten. Während Wiese das Merkmnal als »die Anspruchsvoraussetzungen zu Lasten der Rechteinhaber ungerechtfertigt einschränkend« bezeichnete und die Streichung forderte, wollte letzeres auch von Braunmühl, jedoch aufgrund der Erwägung, dass dieses Merkmal wieder zu Lasten des Nutzers ginge, da dieser gerade nicht erkennen könne, was im Internet legal oder illegal angeboten werde. Demgegenüber forderten Kitz und Professor Hannes Federrath von der Universität Regensburg eine Ausdehnung des in § 101 Abs. 9 UrhG-E geregelten Richtervorbehalts auf die Prüfung der Offensichtlichkeit, um so eine wirksame Auskunftserteilung durch Dritte zu garantieren sowie letztere von Prozessrisiken und einer durch sie nicht leistbaren Einschätzung der »Offensichtlichkeit« zu befreien.

Jedoch auch bei der Frage des Richtervorbehalts im Falle der Herausgabe von so genannten Verkehrsdaten, wozu insbesondere dynamisch vergebene und somit nur vorübergehend gespeicherte IP-Adressen zählen, gingen die Meinungen der Sachverständigen auseinander. Schaar, von Braunmühl, Süme und auch Kitz traten für eine Beibehaltung ein, da die Information, wer mit wem kommuniziere, eindeutig dem Fernmeldegeheimnis zuzuordnen und daher aus Verhältnismäßigkeitsgründen eine richterliche Überprüfung unerlässlich sei. Demgegenüber erfordere nach Meinung von Wiese Art. 10 GG nicht einen Richter-, sondern nur einen Gesetzesvorbehalt; im Übrigen ginge es nicht um die Kenntnis des Inhalts der Kommunikation, sondern um die Zuordnung einer solchen zu einem Rechtsverletzer. Während Zombik ergänzend darauf verwies, dass der Anspruch wegen mangelnder, weil bisher gesetzlich verbotener Speicherung von dynamischen IP-Adressen leerzulaufen drohe, und daher die Ausdehnung der entsprechenden Rechtsgrundlagen im Rahmen der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung auf den Auskunftsanspruch forderte, verwahrte sich hiergegen Schaar ausdrücklich, da die EU-Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie nur Strafverfolgungszwecken diene. Kitz hingegen bezeichnete diese Frage als eine rein politische, gestand aber beiden Positionen ihre Berechtigung zu. Süme plädierte im Falle einer entsprechenden Ausdehnung aber für eine Beibehaltung des Richtervorbehalts.

Mehrheitlich auf Ablehnung hingegen stieß die erst nachträglich in den Gesetzentwurf eingearbeitete Deckelung des Aufwendungsersatzes von Abmahnkosten in einfach gelagerten Fällen im nichtgewerblichen Bereich mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung gem. § 97 a Abs. 2 UrhG-E. Die Vorschrift sei zu unbestimmt und gehe zu Lasten der Rechte inhaber, so Zombik und Wiese. Für Kitz sei sie systemwidrig, sende ein falsches Signal aus im Sinne der Akzeptanz des Urheberrechts und setze im Übrigen an der falschen Stelle an: Wirkungsvoller seien klarere und strengere Vorgaben für die Streitwertberechnungen. Einzig von Braunmühl begrüßte die Regelung.

Dokumente:

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Die Umsetzung der Enforcement-Richtlinie nach dem Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, Aufsatz von Prof. Dr. Gerald Spindler und Marc Philipp Weber, Göttingen, ZUM 2007, 257-266 (Heft 4)
  • Die Abmahnung im Urheberrecht auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit? Aufsatz von Dr. Jonas Ewert, LL.M. und Dr. Nikolaus v. Hartz, Düsseldorf, ZUM 2007, 450-455 (Heft 6)
  • Vorträge der Referenten (Federrath, Raabe, Kitz und Zombik) und Diskussionsbericht der Veranstaltung des Instituts für Urheber- und Medienrecht »Auskunftsanspruch gegen Internetprovider« am 7.4.2006, veröffentlicht in der ZUM 2006, 433-460 (Heft 6)
[IUM/hl]

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